Systematische Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen werden in Nordkurdistan weiterhin als Kriegsinstrument zur absoluten Dominanz der türkischen Armee über die kurdische Gesellschaft eingesetzt. Darauf machte die Parlamentsabgeordnete Ayşe Acar Başaran, die zugleich Sprecherin des HDP-Frauenrats ist, am Montag bei einer Kundgebung in Colemêrg (tr. Hakkari) aufmerksam. Dort steigt die Zahl der bekannt gewordenen Fälle von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt durch Angehörige der türkischen Sicherheitskräfte in den letzten Wochen deutlich an. Opfer sind überwiegend Frauen und Mädchen, vor allem jüngeren Alters.
Durch Entwürdigung von Frauen soll die Gesellschaft als ganzes getroffen werden
Die Anwendung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat Methode: Die Opfer werden gedemütigt, vergewaltigt und schwer misshandelt. Durch diese Entwürdigung der Frauen soll die ganze Gesellschaft getroffen werden. Laut Başaran seien aber auch immer mehr männliche Jugendliche und junge Männer von dieser Kriegsstrategie betroffen. Die Abgeordnete, die bei der Zusammenkunft von ihrer Fraktionskollegin Şevin Coşkun, den Ko-Vorsitzenden der Provinz- und Kreisverbände der HDP in Colemêrg, Mitgliedern der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD und der Anwaltsvereinigung ÖHD begleitet wurde, bezeichnete Vergewaltigungen durch staatliche Kräfte in Kurdistan als „Hauptbestandteil der Politik des Feindstrafrechts gegenüber dem kurdischen Volk”. Getragen werde diese Politik von einer Mentalität, die den bestialischen Kriegsmethoden der dschihadistischen Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in nichts nachstehe. „So wie die kurdischen Frauen bereits den IS besiegt haben, wird ihr Widerstand auch gegen deren hiesige Gleichgesinnte Früchte tragen“, sagte Başaran und deutete auf die anwesende Polizei, die die Kundgebung eingekesselt hatte.
„Der Widerstand der Frauen gegen Missbrauch, Vergewaltigung, Femizid, sexualisierte Gewalt an Kindern ist überall“
Frauen in Café Vergewaltigungsdrogen wehrlos gemacht und missbraucht
Anschließend ging Ayşe Acar Başaran auf konkrete Fälle von sexualisierter Gewalt ein, die sich jüngst in Colemêrg zugetragen haben sollen. Im Kreis Gever etwa, einem Zentrum des kurdischen Widerstands, wo die staatliche Unterdrückung besonders perfide ausgeprägt ist, seien zwei Frauen in einem Café durch Vergewaltigungsdrogen (K.O.-Tropfen) wehrlos gemacht und sexuell missbraucht worden. Die Tat soll zudem auf Video festgehalten worden sein. „Wir wissen zudem von Fällen minderjähriger Mädchen und Jungen, die von Polizisten vergewaltigt worden sind und zum Sex mit anderen Männern gezwungen wurden. Staatliche sexualisierte Gewalt gleicht überall in Kurdistan in ihrer Systematik einer Strategie. Doch am ausgeprägtesten wird diese Kriegsmethode dort eingesetzt, wo die kurdische Frauenbewegung im Vergleich zu anderen Regionen besser organisiert ist: in Colemêrg, Dersim, Êlih oder Şirnex“, so Başaran.
Antwort auf Vergewaltigungskultur: Organisierung der Frau und Selbstverteidigung
Die Antwort auf die Vergewaltigungskultur und den „Spezialkrieg“ des patriarchal-faschistisches Systems müsse deshalb in Colemêrg und allen anderen Orten die Organisierung von Frauen und ihrer Selbstverteidigung sein. Başaran rief die Provinzbevölkerung auf, sich dem Widerstand des HDP-Frauenrats gegen Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt als Kriegsmittel anzuschließen. „Wir müssen die Mädchen, Frauen und Jugendlichen angesichts dieser menschenverachtenden Strategie der Kriegstreiber verteidigen.“