Ankara: 75-Jährige ersticht Ehemann zur Selbstverteidigung

Eine 75-Jährige hat zur Verteidigung von sich selbst und ihrer behinderten Tochter ihren gewalttätigen Ehemann erstochen. „Selbstverteidigung ist ein Recht“, erklärt die Frauenorganisation „Lila Solidarität“ und fordert die sofortige Freilassung der Frau.

Eine 75-Jährige aus Ankara hat zur Selbstverteidigung ihren gewalttätigen Ehemann erstochen und ist festgenommen worden. Die Frauenorganisation „Lila Solidarität“ ruft zur Unterstützung der Betroffenen auf und fordert ihre umgehende Freilassung.

Medienberichten zufolge ereignete sich der Vorfall am Donnerstagabend im Kreis Mamak. Nimet Akgün sei in einen Streit mit ihrem 80-jährigen Ehemann Ali Akgün geraten, nachdem dieser ihr sowie der behinderten Tochter gegenüber gewalttätig wurde. Um sich und ihre Tochter zu verteidigen, habe Akgün zum Messer gegriffen und den Mann in Notwehr getötet. Nachbarn wurden auf die Schreie aufmerksam und riefen die Polizei. Der Notarzt konnte nur noch den Tod von Ali Akgün feststellen.

Frauenbewegung „Lila Solidarität“ unterstützt Nimet Akgün

„Selbstverteidigung ist ein Recht“, erklärte die landesweit vernetzte „Lila Solidarität“ am Freitag. Frauen seien gezwungen, in Haushalten voller Gewalt zu leben, sie würden „arm und hilflos“ gemacht. „Männliche Gewalt hingegen wird legitimiert. Frauen wie Nimet Akgün und Melek Ipek, die nicht gegenüber der Gewalt stillhalten und ihr Leben selbst verteidigen, müssen sofort freigelassen werden! Nicht die Frauen, sondern die Männergewalt muss gestoppt werden.“ Auch weitere Fraueninitiativen fordern die sofortige Freilassung von Akgün.

Kriminalisierung von Selbstverteidigung führt zu Frauenprotest

Neben Nimet Akgün wird in der Erklärung auch auf den Fall von Melek Ipek Bezug genommen. Die 31 Jahre alte Mutter von zwei Töchtern im Alter von sechs und acht Jahren hatte vor einer Woche ihren gewalttätigen Ehemann erschossen und war daraufhin verhaftet worden. Der 37-jährige Ramazan Ipek hatte Melek Ipek einen Abend zuvor gefesselt und die ganze Nacht über schwer misshandelt und vergewaltigt, nachdem sie bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert wurde. Als er ankündigte, seine Ehefrau und die gemeinsamen Töchter zu töten, verteidigte sie sich und erschoss den Gewalttäter mit einem Gewehr. Ihre Verhaftung rief einen Protestaufschrei von Frauen im ganzen Land hervor.

Was ist die „Lila Solidarität“?

Die Organisation „Lila Solidarität“ richtet sich ihrem Selbstverständnis zufolge gegen „das patriarchale kapitalistische System, das seine Herrschaft auf den Körpern von Frauen, ihrer Arbeit und ihrer Identität aufbaut“. Die Bewegung steht für „Selbstorganisierung, Widerstand und Kampf um Freiheit“.

In ihrer Selbstdarstellung heißt es: „Die Lila Solidarität ist die Widerstandsfahne der Frauen, die gegen Belästigung, Frauenmorde, Krieg, Chauvinismus und Assimilation, Ausbeutung von Arbeit und Körper, Ausplünderung der Umwelt, Homophobie, gegen jede Form der Hierarchie, jede Form von Gewalt gegen Frauen unter der Parole ‚Frauensolidarität‘ kämpfen und Verantwortung für das eigene Leben übernehmen.“

Die Bewegung tritt für eine unabhängige Frauenorganisation und einen „Bruch mit dem patriarchalen Denken und seinen Mitteln“ ein. Die Arbeit der Initiative reicht von Filmen über Selbstverteidigungsworkshops bis hin zu Veranstaltungen, Demonstrationen und Aktionen.