Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in Nord- und Ostsyrien

„Die deutsche Außenpolitik unter Annalena Baerbock ist ein Angriff auf das Selbstverteidigungsrecht der Frauen“, erklärt die Kampagne Women Defend Rojava und fordert die Anerkennung der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens.

Die Frauenrevolution verteidigen

Zu dem Treffen der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit dem türkischen Minister für auswärtige Angelegenheiten Hakan Fidan und den Geheimdienstchef Ibrahim Kalın in Ankara erklärt die Kampagne Women Defend Rojava, dass das Ergebnis dieses Treffens ein Angriff auf das Selbstbestimmungs- und Selbstverteidigungsrecht der Frauen in Nord- und Ostsyrien ist. „Mit ihrer Forderung, ‚die kurdischen Kampfverbände‘ in Nordsyrien zu entwaffnen und in eine zukünftige nationale Sicherheitsstruktur zu integrieren, gefährdet Annalena Baerbock und damit die deutsche Außenpolitik die Sicherheit und die über Jahre etablierten Errungenschaften der Frauen und ihrer Rechte in der Region. Denn eine ‚Entwaffnung der kurdischen Kampfverbände in Nordsyrien‘ würde neben der Entwaffnung der Volksverteidigungskräfte YPG vor allem auch die Entwaffnung der Frauenverteidigungskräfte der YPJ als Rückgrat der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) bedeuten“, betont Women Defend Rojava. Unter anderem fordert die Kampagne die politische und offizielle Anerkennung der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Verteidigungskräfte der SDF, der YPG und der YPJ durch die deutsche Bundesregierung sowie die Beteiligung von Frauen und Frauenorganisationen als Vertreterinnen ihrer Rechte an den Gesprächen über die Zukunft Syriens.

Die vollständige Erklärung von Women Defend Rojava lautet:

Am 8. Dezember wurde das Assad-Regime in Syrien gestürzt und die Diskussionen über die Zukunft Syriens treten in eine nächste Phase. Die Kämpfe aller regionalen und internationalen Kräfte auf syrischem Boden zielen nicht nur auf das syrische Regime, sie sind Teil eines größeren Umgestaltungsplans für ganz Syrien. Knapp zwei Wochen nach dem Sturz des Assad-Regimes ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zu Gesprächen über die Lage in Syrien in die Türkei gereist. Dort traf sie am Freitag in Ankara den türkischen Minister für auswärtige Angelegenheiten Hakan Fidan und den Geheimdienstchef Ibrahim Kalın. Das Ergebnis dieses Treffens ist ein Angriff auf das Selbstbestimmungs- und Selbstverteidigungsrecht der Frauen in Nord- und Ostsyrien. Mit ihrer Forderung, „die kurdischen Kampfverbände“ in Nordsyrien zu entwaffnen und in eine zukünftige nationale Sicherheitsstruktur zu integrieren, gefährdet Annalena Baerbock und damit die deutsche Außenpolitik die Sicherheit und die über Jahre etablierten Errungenschaften der Frauen und ihrer Rechte in der Region. Denn eine „Entwaffnung der kurdischen Kampfverbände in Nordsyrien“ würde neben der Entwaffnung der Volksverteidigungskräfte YPG vor allem auch die Entwaffnung der Frauenverteidigungskräfte der YPJ als Rückgrat der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) bedeuten. Diese Verteidigungskräfte und an vorderster Front die Frauenverteidigungseinheiten der YPJ waren und sind es, die Kobanê und viele weitere Städte wie Raqqa vom sogenannten Islamischen Staat befreit haben. Sie sind keine Struktur, die von außen gegründet und in die Region gebracht wurde, sondern die Verteidigungskraft der verschiedenen Frauen und der Bevölkerung der Region. Durch ihre Existenz und ihrer Verteidigung geben sie den Frauen Sicherheit und ermöglichen es ihnen, trotz des anhaltenden Krieges, eigene Institutionen aufzubauen. Seit über zehn Jahren haben Frauen in Nord- und Ostsyrien eigene Institutionen und Einrichtungen aufgebaut, die heute ihre Stimme und ihre Perspektiven als Teil der Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens vertreten. Mit der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien wurde ein demokratisches System geschaffen, das in seinem Gesellschaftsvertrag die Rechte aller verschiedenen Bevölkerungs- und religiösen Gruppen sowie Frauen und Kinder der Region verteidigt. Um die errungenen Rechte der Frauen auch in einem neuen Syrien zu erhalten, müssen Frauen aktiv an den Gesprächen für ein zukünftiges, vereintes Syrien und eine neue syrische Verfassung beteiligt sein. Der Syrische Frauenrat, ein Zusammenschluss von Frauen unterschiedlicher ethnischer, religiöser und kultureller Hintergründen, hat dazu am Dienstag in einer Erklärung 13 zentrale Ziele und Forderungen für die Neugestaltung Syriens vorgelegt.

Gleichzeitig ist die YPJ eine Frauenselbstverteidigungskraft, die bis heute die Errungenschaften der Frauen, ihre Rechte und die Sicherheit der Menschen in Nord- und Ostsyrien gegen jegliche Angriffe des türkischen Staates und seiner Söldner verteidigt. Die Angriffe des türkischen Staates auf die Demokratische Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien dauern in den letzten Jahren bis heute an. Seit der Invasion des türkischen Staates in die nordsyrische Region Afrin im Januar 2018 und der Invasion im Oktober 2019, im Zuge dessen das nordsyrische Gebiet zwischen Girê Spî und Serêkaniyê besetzt wurde, setzte die Türkei ihre Angriffe auf die kurdische Bevölkerung in Nordsyrien und die Bevölkerung der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien fort. Die anhaltenden Angriffe der durch die Türkei gesteuerten „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) mit Unterstützung der türkischen Armee haben zur Vertreibung zehntausender Menschen aus der Region Şehba sowie Minbic (Manbidsch) geführt und bedrohen aktuell die nordsyrische Region rund um den Euphrat. Zudem wurden seit 2019 mindestens 142 Frauen durch Angriffe des türkischen Staates gezielt getötet, die meisten davon durch gezielte türkische Drohnenangriffe. Erst vor zwei Tagen, am 19. Dezember, wurde Cihan Bilgin, Korrespondentin der Nachrichtenagentur ANHA, zusammen mit ihrem Kollegen Nazım Daştan, kurdischer Journalist zuletzt bei ANF, von einer türkischen Drohne auf ihr Auto ermordet. Die Zugeständnisse von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach ihrem letzten Türkeibesuch und der anhaltende Schulterschluss mit dem türkischen Staat stellen somit eine direkte Gefahr für die Menschen und vor allem die Frauen in der Region dar. Diese Außenpolitik ist alles andere als feministisch und gefährdet das Leben von Frauen in der Region!

Als Kampagne Women Defend Rojava fordern wir deshalb:

1. die politische und offizielle Anerkennung der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Verteidigungskräfte der SDF, der YPG und der YPJ durch die deutsche Bundesregierung.

2. die Beteiligung von Frauen und Frauenorganisationen als Vertreterinnen ihrer Rechte an den Gesprächen über die Zukunft Syriens.

3. die Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) an den Gesprächen über die Zukunft Syriens.

4. Die Unterstützung und humanitäre Hilfe seitens der deutschen Bundesregierung für die vielen Binnenflüchtlinge in der Region Nord- und Ostsyrien.

5. einen umgehenden Stopp der türkischen Offensive gegen die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien und eine Beendigung des Krieges gegen die Kurd:innen.

6. einen sofortigen Stopp der Rüstungsexporte und die Verhängung eines Waffenembargos gegen die Türkei durch die deutsche Bundesregierung.

7. die Beendigung der Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung in Deutschland.