Alles verboten außer Drogenhandel und Prostitution

Seit Juli 2016 herrscht in der Türkei der Ausnahmezustand. Frauen aus Amed (Diyarbakır) beklagen, dass alles verboten sei - außer Drogenhandel, Prostitution und Glücksspiel.

Der Ausnahmezustand in der Türkei ist von der Regierung um weitere drei Monate verlängert worden. Darunter leiden vor allem auch Frauen und Kinder. Wie Frauen aus Amed erklären, ist der dadurch entstandene Druck in allen Lebensbereichen spürbar. Nur Drogenhandel, Prostitution und Glücksspiel seien weiterhin erlaubt.

 Saliha Surer (58), die im Stadtteil Bağlar lebt, verweist darauf, dass der Ausnahmezustand dazu benutzt werde, die Menschen in Angst zu versetzen: „Niemand soll seine Stimme gegen das Unrecht erheben, selbst wenn die Menschen hungrig und nackt sind. Früher konnten die Menschen eigenes Gemüse anpflanzen und Tiere halten. Jetzt ist alles verboten. Man kann kaum über die Straße gehen, ohne in eine Ausweiskontrolle zu geraten.“

In allen Bereichen des Lebens seien Verbote ausgesprochen worden, so Sürer weiter: „In Bağlar ist alles verboten, nur Drogen, Prostitution, Diebstahl und Glücksspiele sind erlaubt. Das ist das einzige, was nicht verboten worden ist.“

Unter dem Ausnahmezustand leiden vor allem Frauen

Sultan Karakuzu hat einen Laden in Bağlar. Der Ausnahmezustand habe sie ruiniert, sagt sie: „Die Menschen geraten aufgrund der Arbeitslosigkeit in Streit miteinander. Früher herrschte mehr Toleranz untereinander. Heute fühlt man sich nicht einmal zu Hause mehr wohl. Unter dieser Situation leiden vor allem Frauen. Meine Schwiegertochter war Lehrerin. Sie hat drei Kinder. Aus fadenscheinigen Gründen wurde sie entlassen. Die Menschen, die arbeitslos geworden sind, müssen für einen Lohn arbeiten, der noch unter dem Mindestlohn liegt. Ihre Arbeit hat keinen Wert.“

Ausnahmezustand bedeutet Hunger

 Süreyya Çakır (37) ist alleinerziehende Mutter von fünf Kindern und lebt im Viertel Fatih. Ihrer Ansicht nach bedeutet der Ausnahmezustand für Arme vor allem Hunger. Wie jede andere Mutter sei ihr dringendster Wunsch, ihren Kindern zu einer besseren Zukunft zu verhelfen: „Natürlich geht es dir schlecht, wenn du deine Kinder nicht satt bekommst und siehst, unter welchem Druck die Menschen stehen. Ich fühle mich als Frau nicht frei. In diesem Land es ohnehin schwer, eine Frau zu sein. In einer Gegend wie unserer, in der die Unterdrückung ständig präsent ist, haben wir eigentlich Tag und Nacht Angst. In diesem Land passiert etwas, das sich gegen Frauen und Kinder richtet. Sogar eine Institution wie das Amt für Religionsangelegenheiten möchte neun- und zwölfjährige Kinder verheiraten. Unter diesen Umständen sind weder Jungen noch Mädchen sicher.“

Gefangene im eigenen Land

Remziye Bilir (55) musste nach Ausrufung des Ausnahmezustands ihre Schneiderei schließen, weil sie keine Aufträge mehr bekam. An jeder Ecke sei ein Polizeiposten aufgestellt worden, der alle Vorbeigehenden als potentiell Schuldige behandele. In der Gesellschaft herrschten Angst und Sorge, so Remziye Bilir: „Wir können uns nicht mehr frei durch das eigene Viertel bewegen. Fühlt sich ein Mensch in seinem eigenen Land nicht frei und kann in der eigenen Wohnung nicht ruhig schlafen, ist er ein Gefangener. Unter den täglich neuen Verbotsverfügungen leiden vor allem Frauen. Wenn unsere Kinder die Wohnung verlassen, wissen wir nie, ob sie wieder zurückkehren werden.“

MA / Esra Solin Dal