Aktionen von Women Defend Rojava gegen Angriffe in Nord- und Ostsyrien

Mit Plakatierungsaktionen in Berlin, Jena und Kassel will die Kampagne Women Defend Rojava Sichtbarkeit für die Situation in Nord- und Ostsyrien herstellen. Seit Tagen eskaliert der türkische Staat seinen Angriffskrieg gegen die Region.

Im Rahmen der Kampagne Women Defend Rojava wurden am Wochenende zahlreiche Poster in verschiedenen Städten Deutschlands plakatiert, um auf die aktuelle Angriffswelle des türkischen Staates gegen Nord- und Ostsyrien aufmerksam zu machen. „Jetzt erst recht! Wenn die deutsche Medien- und Politiklandschaft versucht die massiven Kriegsverbrechen des türkischen Staates gegen die Menschen in Nord- und Ostsyrien gezielt zu verschweigen, holen wir die Nachrichten in die Städte und auf die Straßen!“, war der Leitspruch dabei, wie die Kampagne am Montag mitteilte.

Seit Donnerstag, dem 5. Oktober, eskaliert der türkische Staat seinen Angriffskrieg gegen Nord- und Ostsyrien. Gezielt wird lebensnotwendige Infrastruktur der selbstverwalteten Gebiete angegriffen und zerstört mit dem Ziel, die Menschen vor Orten zu vertreiben. Im Laufe der letzten Tage wurden Ölförderanlagen, Elektrizitätswerke, Umspannwerke, Staudämme sowie Krankenhäuser und die Wasserversorgung breitflächig bombardiert. Mehr als zwei Millionen Menschen sind infolge dieser Militärgewalt von der Grundversorgung mit Strom, Wasser und Gas abgeschnitten, vielerorts ist eine Energieinfrastruktur nicht mehr vorhanden. Unter den getroffenen Anlagen befindet sich auch das bei Dêrik gelegene zentrale Gaskraftwerk der Autonomieregion, das vergangene Woche bei mehrstündigen Angriffen durch Kampfflugzeuge und Drohnen weitgehend zerstört worden ist. Es war das einzige, noch funktionierende Kraftwerk in Nordostsyrien und versorgte bisher die gesamte Region mit Gas und Strom. Gleichzeitig funktionierte es auch als Abfüllstation für die Gasflaschen der Haushalte. Schon im November 2022 wurde das Kraftwerk durch türkische Luftangriffe schwer beschädigt.

Angriffe führen zu einer humanitären Katastrophe

„Der nun fehlende Zugang zu Energieressourcen bedeutet auch, dass lebensnotwendige Dinge wie Brot nur schwer oder gar nicht produziert werden können. All dies wirkt sich auf die Grundversorgung der Bevölkerung aus und bedeutet eine humanitäre Katastrophe“, betont Women Defend Rojava. Außerdem weist die Kampagne mit Nachdruck darauf hin: „Der türkische Staat intensivierte seinen Krieg gegen die Selbstverwaltung im Laufe der letzten Jahre durch gezielte Drohnenangriffe auf wichtige Persönlichkeiten der Selbstverwaltung sowie der militärischen Selbstverteidigungseinheiten, welche auch den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat geführt haben und führen. Es wurden Menschenrechtsverteidiger:innen und Frauenrechtsaktivist:innen durch diese Angriffe gezielt ermordet. Die Angriffe richten sich also gegen all jene Menschen, die sich für ein selbstbestimmtes, pluralistisches und geschlechterbefreites Leben in der Region einsetzen. Das gesamte Gebiet und die gesamte Bevölkerung sind jetzt in einer Heftigkeit von dem Krieg betroffen, die nochmals in aller Deutlichkeit zeigt: Ziel des türkischen Staates ist es, die Region zu entvölkern und eine Selbstverwaltung zu verhindern. Die Autonomieregion in Nord- und Ostsyrien ist derzeit in größter Gefahr!“

Kritik an Bundesregierung und deutschen Medien

Obwohl klar sei, dass die derzeitigen Angriffe des NATO-Mitgliedstaates Türkei auf die Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien nach internationalem Recht Kriegsverbrechen darstellten, schweigten die deutsche Bundesregierung und deutsche Medien. „Sie machen sich dadurch für den anhaltenden und sich weiter intensivierenden Krieg mitverantwortlich“, kritisiert Women Defend Rojava. Um dieses tödliche Schweigen zu durchbrechen und auf die Situation in Nord- und Ostsyrien aufmerksam zu machen, führten Ortsgruppen verschiedene Plakatierungsaktionen durch. In Berlin wurde mit der Forderung „Stop the war in Kurdistan“ auf den Krieg des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung aufmerksam gemacht. Mit weiteren Postern, auf denen „Frauenrevolution in Rojava verteidigen! Gemeinsam verändern wir die Welt“ oder auch „Ein Angriff der Türkei auf Rojava/Nordsyrien ist ein Angriff auf die Frauenrevolution! Das feministische Projekt Rojava verteidigen!“ zu lesen war, zeigten Menschen auch in Jena und Kassel ihre Solidarität mit Nord- und Ostsyrien.

Vernichtungskrieg gegen die Frauenrevolution

„Durch die verschiedenen Plakate wird das gesellschaftliche Projekt der Selbstverwaltung in das Stadtbild getragen und Sichtbarkeit für die Situation in Nord- und Ostsyrien hergestellt“, erklärte eine Aktivistin der Berliner Gruppe von Women Defend Rojava zu den Hintergründen der Aktionen. Zudem betonte sie, dass sich die Angriffe der Türkei in Nord- und Ostsyrien gegen die Hoffnung richten würden, die die Frauenrevolution bei vielen Menschen geweckt habe, und gegen die Stärke der Selbstorganisierung. „Wir verstehen den aktuellen Vernichtungskrieg als gezielten Angriff auf die Frauenrevolution, auf den Ursprung der Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ und damit als einen Angriff auf die Ideen und Umsetzung Frauenbefreiungsideologie. Mit der Gründung von Women Defend Rojava haben wir eine Kampagne aufgebaut, um die Frauenrevolution in Kurdistan zu verteidigen und ihren Werten und Prinzipien zu folgen. Wir werden ihre antipatriarchalen Analysen ebenso verteidigen wie die neu aufgebauten gesellschaftlichen Institutionen. In der aktuellen Phase stellen wir uns diesen Angriffen mit einer klaren feministischen, ökologischen, antikolonialen und antifaschistischen Organisierung entgegen.“ In Göttingen hatte die Kampagne zusammen mit „Defend Kurdistan“ eine Kundgebung organisiert.