73-jährige „Friedensmutter“ wegen Terrorvorwurf verurteilt

Die Friedensmutter Hayriye Türkekul ist in Amed zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die türkische Justiz wertete einen Hungerstreik der Seniorin und ihr Engagement für den Frauenverein Rosa als Beweis für eine PKK-Mitgliedschaft.

An einem Gericht in Amed (tr. Diyarbakır) ist am Freitag ein sich schon länger hinziehender Prozess gegen eine heute 73-Jährige mit einer Verurteilung zu Ende gegangen. Angeklagt in dem Verfahren war Hayriye Türkekul, Aktivistin der Initiative der kurdischen Friedensmütter. Ihr wird zur Last gelegt, sich mitgliedschaftlich für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betätigt zu haben. Sie erhielt eine Freiheitsstrafe in Höhe von mehr als sechs Jahren.

Die in der Anklage gegen Türkekul aufgeführten „Tatvorwürfe“ setzen sich aus unterschiedlichen „Delikten“ zusammen: Beteiligung an einer von der kurdischen Politikerin Leyla Güven 2018 aus der Haft heraus initiierten Hungerstreikbewegung zur Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen dem türkischen Staat und der PKK und für ein Ende der Isolationshaft von Abdullah Öcalan, sowie die Teilnahme an Presseerklärungen, Kundgebungen und Demonstrationen.

Als wesentlichen „Beweis“ für die behauptete PKK-Mitgliedschaft wertete das Gericht jedoch das Engagement Türkekuls für den Frauenverein Rosa. Die in Amed ansässige Organisation kämpft gegen Gewalt an Frauen und steht seit Jahren im Fokus der staatlichen Repression. Mehrfach wurde „Rosa“ bereits von der Polizei gestürmt, Aktivistinnen verhaftet und mit „Terror“-Prozessen überzogen. Auch wurden mehrere Mitglieder von der türkischen Justiz zu langjährigen Haftstrafen verurteilt – unter anderem, weil sie mit dem „öffentlichkeitswirksamen Thema Femizid“ Mitglieder für die PKK geworben hätten.

Andere Engagierte von Rosa wiederum sind vom Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft freigesprochen worden. Erst Anfang der Woche endete vor der zehnten Strafkammer des Schwurgerichts Diyarbakır der Prozess gegen Fatma Gültekin vom Vorstand des Vereins mit einem Freispruch. Es handelt sich um dieselbe Kammer, an der gegen Türkekul verhandelt wurde. Die Seniorin wies alle Anschuldigungen der Anklage zurück. Ihr Verteidiger Mehdi Özdemir machte in seinem Plädoyer geltend, dass es sich bei der Einrichtung Rosa um eine legale Organisation handele und Engagement für den Verein nicht als „terroristische Aktivitäten“ ausgelegt werden könnten. Das Gericht blieb unbeeindruckt und verurteilte Türkekul zu sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.