In Iran sind nach der Hinrichtung eines regimekritischen Demonstranten und eines kurdischen Geistlichen dutzende Insassinnen des Evin-Gefängnisses in einen Hungerstreik getreten. Insgesamt 61 weibliche politische Gefangene in der als Folterkammer berüchtigten Haftanstalt in Irans Hauptstadt Teheran beteiligten sich seit Donnerstag an dem Protest, berichtete das Kurdistan Human Rights Network (KHRN). Unter den hungerstreikenden Frauen ist auch die iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, die den Protest am Dienstag auf ihrer Instagram-Seite ankündigte, die Angehörige im Ausland für sie pflegen. Sie und ihre Mitgefangenen demonstrieren damit gegen die jüngsten Hinrichtungen und für einen Hinrichtungsstopp in dem von einem theokratischen Mullah-Regime geführten Land.
Dienstag früh wurde mit Mohammad Ghobadlu ein weiterer Teilnehmer des im Herbst 2022 nach der staatlichen Tötung der Kurdin Jina Mahsa Amini ausgebrochenen „Jin Jiyan Azadî“-Aufstands hingerichtet. Die Regime-Justiz macht ihn für die Tötung eines Polizisten während einer Demonstration in einem Teheraner Vorort verantwortlich. Laut Menschenrechtsorganisationen wurde Ghobadlu 23 Jahre alt. „Die Nachricht von der Hinrichtung der iranischen Jugend hat eine Welle der Wut und des Protests in der Gesellschaft ausgelöst“, hieß es auf Mohammadis Instagram-Seite. Das KHRN teilte zuvor mit, zwischen dem 21. Dezember 2023 und 21. Januar 2024 mindestens 34 Hinrichtungen in Iran erfasst zu haben.
Zeitgleich mit Ghobadlu wurde im Qezelhesar-Gefängnis in Karadsch auch der seit 14 Jahren inhaftierte kurdische Geistliche Farhad Salimi exekutiert. Der 43-Jährige, der wie Jina Mahsa Amini aus der Stadt Seqiz stammte, war 2016 zusammen mit sechs weiteren Angeklagten – Ayoub Karimi, Ghasem Abeste, Davoud Abdollahi, Anvar Khezri, Kamran Sheikhe und Khosro Besharat – wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Gruppe, Kriegsführung gegen Gott und Korruption auf Erden“ zum Tode verurteilt worden. Ghasem Abeste und Ayoub Karimi waren bereits im November 2023 hingerichtet worden, Davoud Abdollahi am 2. Januar 2024. Den anderen drei Angeklagten droht die Todesstrafe.
Zeynab Jalalian ebenfalls im Hungerstreik
Indes teilte das KHRN mit, dass auch Zeynab Jalalian im Hungerstreik für ein Ende der Hinrichtungen in Iran ist. Damit wolle sie die Aktion ihrer im Evin-Gefängnis inhaftierten Schwestern und Freundinnen unterstützen und ein Zeichen setzen, wie wichtig der Kampf gegen die Hinrichtungsmaschinerie des Regimes sei, berichtete die Menschenrechtsgruppe unter Berufung auf eine Person aus dem Umfeld von Jalalian. Es ist nicht der erste Hungerstreik der Kurdin, aber es könnte mit Blick auf ihre gesundheitliche Verfassung ihr folgenschwerster werden.
Einzige Frau in Iran mit lebenslanger Haftstrafe
Die 1982 in der ostkurdischen Stadt Makû geborene Zeynab Jalalian (auch Zeynep Celaliyan) wurde im Januar 2009 von einem Revolutionsgericht in Kirmaşan wegen „Feindschaft zu Gott“ zum Tode verurteilt. Die Verurteilung stand mit Jalalians Mitgliedschaft in der „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“ (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê – PJAK) in Zusammenhang. Zuvor hatte sie acht Monate lang in einer Einrichtung des Geheimdienstministeriums in Untersuchungshaft gesessen. In ihrem Gerichtsverfahren, das nur wenige Minuten dauerte, hatte sie keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Das Todesurteil gegen Zeynab Jalalian wurde im November 2011 in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Sie ist derzeit die einzige weibliche Gefangene in Iran, die mit dieser Strafe belegt ist. Aktuell sitzt sie in einem Gefängnis im zentraliranischen Yazd – in rund 1400 Kilometern Entfernung vom Wohnort ihrer Familie.
Zeynab Jalalian durch Haftbedingungen und Folter schwerkrank
Zeynab Jalalian ist schwerkrank. 2020 war sie von Agenten des Geheimdienstministeriums binnen weniger Monate gleich vier Mal in verschiedene Gefängnisse im ganzen Land verlegt worden. Während dieser Odyssee erkrankte sie an Covid-19 und Asthma und leidet nach wir vor unter Atemnot. Es gilt daher als wahrscheinlich, dass sie einen permanenten Lungenschaden davongetragen hat. Zudem erlitt sie während den Transporten Verletzungen durch Fesseln an den Hand- und Fußgelenken und wurde von iranischen Sicherheitskräften körperlich misshandelt. Da ihre Verletzungen unbehandelt blieben, leidet sie inzwischen an den Spätschäden. Darüber hinaus leidet sie infolge der Haftbedingungen und jahrelanger Misshandlungen an anderweitigen schweren gesundheitlichen Problemen, unter anderem Herz-, Darm- und Nierenerkrankungen, Lähmungen sowie Zahn- und Kieferentzündungen. Als Folge von wiederholten Schlägen auf den Kopf ist ihr Sehvermögen zudem stark eingeschränkt. Bisher wurde Jalalian nur einmal kurzzeitig außerhalb des Gefängnisses medizinisch versorgt, nachdem sie im Sommer 2020 positiv auf COVID-19 getestet worden war. Zu der Zeit war sie vorübergehend in einen Hungerstreik getreten, um ihre Zurückbringung in die Haftanstalt in Xoy (Choy) zu erwirken – erfolglos.