Kampf um das Hausprojekt in der Rigaer Straße

Unter dem Vorwand einer Brandschutzbegehung versucht die Berliner Polizei, das linke Hausprojekt Rigaer Straße 94 zu stürmen. Bewohner:innen befürchten ein Räumung oder Teilräumung des Widerstandsprojekts.

Das Berliner Hausprojekt Rigaer Straße stellt einen Fokus linken Widerstands dar. Von internationaler Solidarität mit Rojava und dem kurdischen Freiheitskampf bis hin zur Diskussion um Selbstverwaltung und Autonomie ist die Rigaer Straße ein Symbol der Solidarität und des Widerstands. Vor allem stellt sie ein Bollwerk im Kampf gegen die Gentrifizierung des Berliner Stadtviertels Friedrichshain dar. Die Mieten und Grundstückspreise im angesagten Friedrichshainer Nordkiez sind explodiert und immer mehr Häuser werden entmietet und an deren Stelle Luxuswohnungen errichtet. An der Spitze des Widerstands gegen diesen wohnungspolitischen Ausdruck der kapitalistischen Moderne steht das teilbesetzte Hausprojekt Rigaer Straße 94. Unter dem Vorwand einer Brandschutzbegehung versucht die Polizei, in das Haus einzudringen. Eine Teil- oder Gesamträumung unter dem Vorwand des Brandschutzes wird befürchtet. Die Brandschutzbegehung stellt einen reinen Vorwand dar, denn das Haus wurde bereits vom Bezirksamt in diesem Jahr brandschutzrechtlich überprüft und ohne martialischen Polizeieinsatz, im Einverständnis mit den Bewohner:innen begangen.

Senat und Eigentümer verbrennen sich die Finger“

Am heutigen 17. Juni soll nun die Polizei in das Gebäude eindringen. Bereits am Mittwoch hatte die Polizei eine „rote Zone“ um das Hausprojekt errichtet. Das Gebiet sollte weiträumig abgesperrt werden. Die Aktivist:innen gingen jedoch in die Offensive, riefen eine temporäre autonome Zone aus und verteidigten diese entschlossen mit Barrikaden, Steinen und Pyrotechnik. In einer Erklärung der Rigaer Straße zum Ablauf des 16. Juni heißt es: „Heute, am Abend des 16. Juni, blicken wir auf einen kämpferischen Tag und eine temporäre autonome Zone zurück und schauen mit der geballten Faust nach vorne. Ja, wir werden uns noch lange mit einem breiten Lächeln im Gesicht an die Barrikaden in der Rigaer Straße und ihre kollektive Verteidigung erinnern. Schritt für Schritt verbrennen sich Senat und Eigentümer an der versuchten Zerstörung unseres Hauses die Finger.“

Bewohner:innen befürchten Räumung: Widerstand mit bennenden Barrikaden in Berlin/Friedrichshain

Die Polizei konnte nach heftigen Auseinandersetzungen unter dem Einsatz von Räumpanzern und Wasserwerfern die Barrikaden räumen und schwerbewaffnete Spezialeinheiten besetzten die Dächer. Aber nicht nur auf der Straße, sondern auch juristisch verteidigt sich das Hausprojekt. Die Bewohner:innen berichten: „Ein Oberverwaltungsgericht hat die Ausgangslage für die Verantwortlichen beim Senat und der Briefkastenfirma für den Angriff auf unser Haus beträchtlich erschwert. Letzterer, vertreten durch Bernau, Luschnat und von Arentin, wurde untersagt, überhaupt unsere Räume zu betreten. Die Bullen sollen zudem nur Zugang zu Treppenhaus, Dachboden, Hof, etc. bekommen, nicht jedoch zu den privaten Wohnungen.“ Dies stellt eine massive Einschränkung der Wünsche der Vertreter:innen der Briefkastenfirma dar, welche das Haus gekauft hat, das Haus zu begehen und unter dem Vorwand der Brandschutzes räumen zu lassen.

Rigaer Straße verteidigt sich selbst, setzt aber auf friedliche Lösung

Die Bewohner:innen der Rigaer Straße setzen auf eine friedliche Lösung: „In diesem Moment wird somit dem nun für zuständig erklärten Sachverständigen von unseren Anwält:innen kommuniziert, dass er den Brandschutz in unserem Haus, ohne Gefahr für seine Gesundheit, begutachten und problemlos rein- und rauskommen kann. Selbstverständlich ohne auch nur einen Bullen, so wie wir es schon im Januar 2021 erklärt haben. Und wir halten unser Wort. Das sollte heute erneut mehr als klar geworden sein. Ganz im Gegensatz zu dem Wort zahlreicher Politiker:innen, ob im Bezirk oder Senat, dem der Bullen oder gar einer windigen Briefkastenfirma. Einige von ihnen wagen es immer noch zu behaupten, es gehe ihnen nicht um eine Räumung der Rigaer94.

Wir weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass wir seit November 2020 bereits mehrere Brandschutzgutachten durchgeführt und Mängel eigenständig behoben haben. Der Senat und eine Briefkastenfirma haben dies bewusst ignoriert und somit nach und nach ihr vorgeschobenes Argument, es gehe nur um die Sicherheit der Bewohner:innen der Rigaer94 und ihrer Nachbar:innen, demaskiert.“

Stürmung wäre politische Entscheidung für Eskalation

Die Bewohner:innen kündigten an, sich im Falle eine Stürmung selbst zu verteidigen: „Sollte sich die Politik also für eine Stürmung entscheiden, geht sie den Weg, wie wir ihn bereits vorhersagten. In diesem Fall werden wir uns verteidigen. Dagegen, dass die Bullen alles zerstören, um unser Haus daraufhin für ‚unbewohnbar‘ erklären zu können. Dagegen, dass unser geliebter Ort und die ihm innewohnenden Ideen der Kollektivität, gegenseitigen Hilfe, Solidarität und Selbstbestimmung vernichtet werden sollen.“

Wir sind fähig, den Konflikt mit dem Staat zu intensivieren“

Die Bewohner:innen sehen die Verteidigung der temporären autonomen Zone als ein Fanal: „Heute haben wir allen, die daran gezweifelt haben, gezeigt, dass wir nicht nur bereit, sondern auch fähig dazu sind, den Konflikt mit dem Staat und seinen Schergen zu intensivieren. Wir haben sie zu einem Zeitpunkt getroffen, an dem sie nicht damit gerechnet haben, und auf den sie mit Sicherheit nicht vorbereitet waren. Wir bedanken uns bei allen solidarischen Menschen, Nachbar:innen und Freund:innen und blicken gespannt auf die kommenden Stunden.“