Zwei linke Anwälte in Istanbul festgenommen
In Istanbul sind zwei linke Rechtsanwälte von der Vereinigung progressiver Jurist:innen wegen Terrorismusverdachts festgenommen worden.
In Istanbul sind zwei linke Rechtsanwälte von der Vereinigung progressiver Jurist:innen wegen Terrorismusverdachts festgenommen worden.
In Istanbul sind zwei linke Rechtsanwälte wegen Terrorismusverdachts festgenommen worden. Wie die Vereinigung progressiver Jurist:innen (ÇHD) mitteilte, wurden ihre Mitglieder Naim Eminoğlu und Doğa İncesu am Dienstagfrüh bei einer Wohnungsdurchsuchung durch die Antiterroreinheit der türkischen Polizei in Gewahrsam genommen und in das als Folterzentrum berüchtigte Polizeipräsidium Vatan im Istanbuler Bezirk Fatih gebracht worden. Frühestens am Mittwoch dürften sie einen rechtlichen Beistand bekommen. Bis dahin sei eine Kontaktsperre in Kraft, innerhalb derer sie keine Möglichkeit auf eine juristische Vertretung haben.
Die Hintergründe der Festnahmen waren zunächst unklar. Der ÇHD-Vorstand reagierte mit scharfer Kritik und warf der türkischen Polizei einen neuerlichen Angriff auf die freie Advokatur vor. „Wir fordern die sofortige Freilassung unserer Mitglieder“, schrieb der Verband auf X. Kolleginnen und Kollegen seien aufgefordert, angesichts rechtswidriger Festnahmen, willkürlichen Einschränkungen und Angriffen auf die freie Anwaltschaft und Verteidigung Solidarität zu zeigen.
Naim Eminoğlu ist Verantwortlicher des ÇHD-Büros in Istanbul | Foto: ÇHD
Staatliche Repression gegen ÇHD
Die in den 1970er Jahren gegründete Vereinigung ÇHD steht seit Jahrzehnten im Fokus der türkischen Repressionsbehörden. Ihre Mitglieder sind bekannt für ihren Kampf bei der Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten und übernehmen vorwiegend politische Mandate, auch bei Prozessen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die Türkei. Der ÇHD-Vorsitzende Selçuk Kozağaçlı etwa, der seit 2017 wegen „Terrorismus“ im Gefängnis befindet, vertrat vor seiner Haft die Angehörigen des 54-jährigen Metin Lokumcu, der 2011 bei Protesten gegen Recep Tayyip Erdoğans Wahlkampfveranstaltungen in der Schwarzmeerküstenregion getötet wurde, als die Polizei Tränengas einsetzte. Außerdem engagierte er sich im Fall des 15-jährigen Berkin Elvan, der bei den Gezi-Protesten 2013 von einer Tränengaspatrone am Kopf getroffen wurde und nach neun Monaten im Koma verstarb, vertrat die Hinterbliebenen der Toten des Grubenunglücks von Soma sowie Überlebende und Opferangehörige des Anschlags von Pirsûs (tr. Suruç). Bei dem am 20. Juli 2015 durch einen vom türkischen Geheimdienst (MIT) beobachteten Selbstmordattentäter verübten Anschlag auf eine Versammlung sozialistischer Jugendlicher, die den Wiederaufbau der syrisch-kurdischen Stadt Kobanê unterstützen wollten, kamen 33 hauptsächlich junge Menschen ums Leben.