„Oury Jalloh - Das war Mord!”
Der Tod des aus Sierra Leone geflüchteten Asylbewerbers Oury Jalloh hatte bundesweit für Empörung gesorgt. Der damals 36-Jährige soll sich nach offizieller Behördenversion am Abend des 7. Januar 2005 in einer gefliesten Arrestzelle im Keller eines Polizeireviers in Dessau selbst angezündet haben – auf einer feuerfesten Matratze und in fixiertem Zustand. Zuvor war er rechtswidrig festgenommen, körperlich misshandelt und an Händen und Füßen gefesselt worden. Ein von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh in Auftrag gegebenes Gutachten hingegen kommt zu dem klaren Ergebnis, dass der Geflüchtete vor seinem Tod mit Brandbeschleuniger übergossen und angezündet wurde. Dennoch muss die Initiative auch heute um Aufklärung und Gerechtigkeit kämpfen.
20 Jahre Kampf um Aufklärung und Gerechtigkeit
Anlässlich des 20. Todestages von Oury Jalloh hat die Gedenkinitiative eine Erklärung veröffentlicht, die ANF ungekürzt wiedergibt:
„Heute vor 20 Jahren verbrannte Oury Jalloh, festgekettet an Händen und Füßen auf einer schwer entflammbaren Matratze, im Polizeirevier Dessau. Auch 20 Jahre später bleiben die Umstände seines Todes juristisch ungeklärt und die Täter auf freiem Fuß.
Seit dem 7. Januar 2005 rufen tausende Menschen in den Straßen von Dessau „Oury Jalloh – Das war Mord“. Der Kampf um die Wahrheit setzte sich ab 2007 in den Gerichtssälen von Sachsen-Anhalt und am Bundesgerichtshof in Karlsruhe fort. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2023 mit einem abschließenden Urteil einen Mord in der Zelle 5 verleugnet.
Juristisch ist der Fall in Deutschland somit vorerst abgeschlossen. Staatsanwälte, Richter und Sonderberater des Landtages von Sachsen-Anhalt haben dafür gesorgt. Die Fakten, welche die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh mit Hilfe internationaler Experten geschaffen hat, sprechen jedoch eine eindeutige Sprache: Das war Mord! Ein Mord, der kein Mord sein darf.
Beschwerde beim EGMR wurde abgelehnt
Im Namen von Saliou Diallo, dem Bruder von Oury Jalloh, und mit Unterstützung der Kommission zur Aufklärung der Wahrheit der Todesumstände von Oury Jalloh formulierte die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Diese wurde am 3. Juli 2023 von Saliou Diallo persönlich in Straßburg eingereicht. Die Klage wurde aus folgendem Grund abgelehnt:
Eine 4-monatige Frist für die Möglichkeit der Beschwerde begann mit der Zustellung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bei der Anwältin der Familie am 2. März 2023. Demnach endete die Abgabefrist am 2. Juli 2023. Weil dieser Tag auf einen Sonntag fiel, war die Anwältin versehentlich davon ausgegangen, dass sich das Fristende auf den folgenden Werktag verschieben würde, wie es im deutschen Justizsystem üblich ist. Dies ist am EGMR jedoch nicht der Fall. Somit erfolgte die Ablehnung mit der Begründung der Nichteinhaltung der Frist um 24 Stunden.
Es geht weiter: Auflösung vom Oury Jalloh-Komplex
Doch Mord verjährt nicht! Das bedeutet, auch im Fall von Oury Jalloh müssen die Ermittlungen wieder aufgenommen werden, sobald es neue Beweise gibt. Diese gibt es bereits im Fall von Hans-Jürgen Rose, der im Dezember 1997 nach einem Aufenthalt im Polizeirevier Dessau an den Folgen einer schweren körperlichen Misshandlung starb. Sein ungeklärter Tod ist Teil des Oury Jalloh-Komplexes, an welchem das Recherche-Zentrum e.V. arbeitet. Dieses präsentierte am 28. März 2024 unter anderem den Beweis für die Manipulation der Ermittlungsakte. Familie Rose hat Anzeige wegen Mordes gegen vier der damaligen Dessauer Polizeibeamten gestellt, welche momentan von der Staatsanwaltschaft Halle bearbeitet wird. Das bedeutet, dass der Fall Oury Jalloh zwar juristisch abgeschlossen ist, der Komplex hingegen nicht. Die Arbeit an der Aufklärung der Todesfälle von Jürgen Rose und Mario Bichtemann wird weitere Beweise an die Öffentlichkeit bringen.
Der Kampf um Aufklärung und Gerechtigkeit wird so lange dauern, bis der Oury Jalloh-Komplex aufgelöst ist und die Täter zur Verantwortung gezogen werden!“
Foto: Gedenkdemonstration für Oury Jalloh am 7. Januar 2022 in Dessau © Antonia Gerlinde Schui