Angriffe der Türkei und SNA
In den Autonomiegebieten Nord- und Ostsyrien wächst die Sorge um die Tişrîn-Talsperre. Schwere Schäden infolge Bombardierungen der Türkei und ihrer dschihadistischen Proxyarmee SNA zwingen zu einer Stilllegung der Anlage und Öffnung der Grundablässe, warnte die Demokratische Selbstverwaltung (DAANES) am Dienstagabend. „Wir stehen kurz vor einem Kollaps.“ Der Region drohe in diesem Fall eine „verheerende Überflutung“ und damit eine unvorstellbare humanitäre und ökologische Katastrophe, so die Selbstverwaltung.
Hauptstromquelle im Euphrat-Kanton
Die Tişrîn-Talsperre liegt südöstlich von Minbic. Sie liefert sowohl Wasser als auch Energie in wichtige Teile Nord- und Ostsyriens, wie etwa in die Stadt Minbic und Kobanê. Außerdem dient die Talsperre der Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen entlassen des Flusses Euphrat. Die Turbinen sind in der Lage, über 600 Megawatt Leistung zu produzieren. Doch seit die Ende November eingesetzten Angriffe der von der Türkei gesteuerten SNA gegen die Autonomiegebiete vor einem Monat an Intensität zunehmen, wird Nord- und Ostsyrien um seinen Ertrag aus der Wasserkraft gebracht.
Strom- und Wasserversorgung zusammengebrochen
In weiten Teilen des Kantons Firat (Euphrat) leidet die Bevölkerung seit Wochen unter ungenügender oder gar nicht vorhandener Wasserversorgung. Die Stromversorgung ist zusammengebrochen, weil mehrere Turbinen und Kabel der Talsperre wegen Beschädigungen durch Drohnen- und Artillerieangriffe nicht mehr gesteuert werden können. Darüber hinaus verursachten die Attacken diverse Lecks in der Staumauer. Bricht die Talsperre, droht eine Katastrophe für zahlreiche Dörfer im direkten Umland und die Städte flussabwärts – „beginnend in Tabqa, über Raqqa bis hin zum Irak“, befürchtet die DAANES.
Mehrere Reparaturversuche gescheitert
Denn selbst der Tabqa-Staudamm (auch Euphrat-Damm), der den Euphrat weiter südlich zum bis zu zehn Kilometer breiten Assadsee aufstaut, wäre nicht in der Lage, die etwa zwei Milliarden Kubikmeter Wasser der Tişrîn-Talsperre aufzunehmen. In den vergangenen Tagen und Wochen habe es laut der Selbstverwaltung mehrere Anläufe gegeben, die Schäden an der Anlage durch Ingenieure beheben zu lassen. Doch trotz „intensiver Bemühungen“, auch durch das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) und das Internationale Rote Kreuz, sei es nicht gelungen, die Talsperre „wieder in ihren Normalzustand zu versetzen“, erklärte die DAANES. „Der türkische Besatzerstaat und seine Söldner greifen weiterhin die lebenswichtige Infrastruktur Nord- und Ostsyriens an.“
Protestmarsch zur Talsperre angekündigt
Die Selbstverwaltung forderte an die US-geführte internationale Anti-IS-Koalition, die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen auf, „dringend Maßnahmen zu ergreifen, um den Tişrîn-Damm vor den Bombardierungen zu schützen und den systematischen Angriffen auf die lebenswichtige Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien ein Ende zu setzen“. An die Bevölkerung Nord- und Ostsyriens appellierte die DAANES, sich an einem von den Volksräten für heute angekündigten Protestmarsch zur Talsperre zu beteiligen. „Wir müssen unsere Ablehnung gegenüber jeglicher Bedrohung betonen, die zu einer humanitären Katastrophe in der Region führen könnte. Zudem rufen wir zur Solidarität mit den QSD auf, die Widerstand gegen die Angriffe auf unsere Gebiete leisten.“
Türkei will QSD verdrängen
Die Angriffe gegen den Staudamm stehen im Zusammenhang mit den Versuchen der Türkei und ihrer Dschihadistentruppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA), die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) aus den Gebieten der Autonomieverwaltung rechtsseitig des Euphrat auf die Ostseite des Flusses zu verdrängen und die Region samt der Talsperre zu besetzen. Die QSD halten mit einer Gegenoffensive dagegen, um die SNA nicht nur vom Tişrîn-Damm zu vertreiben, sondern von dem Söldnerverband bereits besetzte Gebiete wie die Stadt Minbic wieder zurückzugewinnen.