Wuppertal: Gezi-Gathe-Park als Alternative zum DITIB-Projekt

In Wuppertal plant der Islamverband DITIB einen Moschee-Neubau. Eine Bewohner:innen-Initative protestiert dagegen und stellt ihre Alternative für das Gebiet vor.

Wie leben, bauen und wohnen wir künftig in unseren Städten? Diese Fragen stellen sich Bewohner:innen der Stadt Wuppertal. Anlässlich des Architektur- und Energietechnikwettbewerbes „Solar Decathlon“ hat eine Initiative ihre eigenen Ideen entwickelt. Das Besondere daran ist, dass sie sich hierfür ein umstrittenes Baugelände in der Stadt ausgesucht haben. Das Gelände an der Gathe steht seit einigen Monaten im Fokus von Politik und Bürger:inneninitiativen, da dort der Islamverband DITIB einen Moschee-Neubau als „Ort der Begegnung“ – „mit Erdoğan, seiner Ideologie und seinen Lakaien“, wie die Initiative ergänzt, plant. In einem Offenen Brief der Nachbarschaft heißt es: „Dieses Bauprojekt wird sich, wenn es tatsächlich realisiert wird, nachhaltig negativ auf das Zusammenleben in diesem Viertel, wenn nicht sogar in der gesamten Stadt, auswirken.“

Pläne für eine solidarische, ökologische Stadtentwicklung

Der „Gezi-Gathe-Park“ soll eine Alternative zu den Plänen von DITIB darstellen. Die Initiative plane die vollständige Renaturierung des Mirker Bachs, der bislang unter der Gathe (eine vielbefahrene Hauptstraße) verläuft: „Wir wollen den Mirker Bach wieder ans Licht und zurück auf die Gathe holen und gleichzeitig den Verkehr auf eine E-Bus- und Radspur begrenzen. Gleichzeitig werden wir zur Entlastung bei Starkregen einen Arm des Mirker Bachs auch über das Gelände führen.“

Auf dem Park-Gelände sollen „eine solidarische Poliklinik, eine Cantina Social, in der gemeinsam gekocht und gegessen wird, ein Treff für Senior:innen mit großer barrierefreier Dachterrasse, eine Geschichtswerkstatt, eine Kindertagesstätte ohne jede religiöse Indoktrination, Werkstätten, ein Institut für Transformationswissenschaften mit Bibliothek und Seminarräumen für alle, die etwas lernen wollen“ entstehen. Dazu sollen eine temporär absenkbare Kulturbühne, ein Open-Air-Kino, ein kleines Hotel zur Aufnahme von Menschen in Not und eine Rechts -und Gewerkschaftsberatung kommen.

Titelbild und Abbildung © Autonomes Zentrum Wuppertal

Solidarität mit Gezi-Park

Mit dem Namen wolle man sich „ausdrücklich mit den Kämpfen und den Kämpfer:innen für den Gezi-Park in Istanbul solidarisieren“ Weiter heißt es: „Der Protest für den Erhalt dieses grünen Parks radikalisierte sich im Juni 2013 zu einem landesweiten Aufstand gegen das Erdoğan-Regime. Es entstanden ungewöhnliche Bündnisse. Linke, Gewerkschaftler:innen, Architekt:innen, Künstler:innen, Kurd:innen und Alevit:innen schlossen sich dem Kampf an, die Ultras der eigentlichen verfeindeten Istanbuler Klubs Beşiktaş Fenerbahçe und Galatasaray schützten gemeinsam (!) die Park-Besetzung vor der Polizei. Dann schlug das AKP-Regime zurück: Der Gezi-Park wurde von Erdoğans Schergen mit aller Gewalt geräumt. Dann kam eine gigantische Repressionswelle. Die Prozesse gehen bis heute weiter: Erst im letzten Monat schockte uns die Nachricht von dem harten Urteil gegen Osman Kavala. Der auch in Deutschland bekannte Kulturförderer Kavala wurde sogar zu lebenslänglicher Haft verurteilt.“

Verschiedenste Denkmäler geplant

Zusätzlich sollen auf den alternativen Plänen Denkmäler eingerichtet werden: „Wir bauen Denkmäler: für Oswald Laufer, Jukiel Gilberg und all die anderen Widerstandskämpfer:innen und NS-Verfolgten aus unserem Quartier.Wir möchten bewusst und sichtbar an die Opfer der Genozide erinnern, die z.T. vom DITIB-Verband geleugnet werden: An Herero und Nama, an die Armenier:innen und Aramäer:innen, an die Pontosgriech:innen und Kurd:innen. Für alle Opfer von rassistischer und antisemitischer Gewalt schaffen wir Erinnerungsorte. Wir wollen besonders an die Toten von Solingen, Mölln, Hanau, Halle und an die NSU-Opfer erinnern. Wir möchten auf dem Platz auch an die Opfer von Fundamentalismus erinnern. Wir möchten z.B. erinnern an die Opfer des Breitscheid-Platzes in Berlin, an die Journalist:innen von Charlie Hebdo, an die Menschen aus dem koscheren Supermarkt Hyper in Paris und an die vier Menschen, die kürzlich in Wuppertals israelischer Partnerstadt Beer Sheva ermordet wurden.“

Über das DITIB-Projekt

In Wuppertal plant der aus der Türkei gesteuerte Islamverband DITIB einen Moschee-Neubau. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet DITIB an diesem Projekt, die Machbarkeitsstudie wurde im Dezember vorgelegt. Es geht um ein etwa 6.000 Quadratmeter großes Areal mit mehreren öffentlichen Platzflächen, auf dem sich nicht nur das islamische Gotteshaus für 700 Personen (so viele, wie in der jetzigen Zentralmoschee genau gegenüber auch) befinden soll, sondern ebenfalls ein Gemeindezentrum, Lebensmittelläden, ein Kindergarten, Betreutes Wohnen, Büros und eine Tiefgarage. Stadtverwaltung und Politik sind entzückt. Weichen müssten für die Neuplanungen neben dem seit über dreißig Jahren bestehenden Autonomen Zentrum (AZ) auch ein Schrottplatz und eine Ex-Tankstelle.

Zuletzt wurden die DITIB-Pläne in der Bezirksvertretung Elberfeld abgelehnt, nur die SPD votierte für das Projekt. Daraufhin hat der zuständige Dezernent die Beschlussvorlage für die Ratssitzung am 21. Juni zurückgezogen. Trotzdem warnt die Initiative, es sei mit einer schnellen Beschlussfassung zu rechnen. Deshalb gelte es, die Zeit und den Sommer zu nutzen.

Abriss des Autonomen Zentrums vorgesehen

Weiter wird vom geplanten Abriss des AZ berichtet. Dieses sei seit nun fast 50 Jahren ein nicht wegzudenkender Teil Wuppertaler Geschichte und befindet sich seit über 30 Jahren an der Gathe: „Generationen von jungen und nicht mehr ganz so jungen Menschen wurden und werden durch das Autonome Zentrum geprägt und prägten durch ihre politische und kulturelle Arbeit das Bild der Stadt. Das AZ war und ist auch immer eine feste Bank im Kampf gegen Nazis und andere Rassist:innen.“

Die Initiative weist darauf hin, dass für die DITIB und andere Parteien die Gathe und somit auch das AZ ein „politisches Ärgernis“ sei, „ein ,Schandfleck', der abgerissen und überbaut werden soll. Als ob man so die sozialen Probleme des Stadtteils, Armut, schlecht bezahlte Jobs, schlechte, aber überteuerte Wohnungen usw. in den Griff kriegen würde, wenn man Erdoğans DITIB den Zugriff auf große Teile des Quartiers gewährt. Auch die ständige Stigmatisierung der Gathe als angeblich krimineller und gefährlicher Ort führt eher zu rassistischer Polizeigewalt als zur Lösung der Probleme.“

Kritik an DITIB und Erdoğan

Ausführlich wird erklärt, wieso man sich gegen die DITIB als Akteur von Stadtentwicklung ausspreche: „Die nächsten Monate werden für den Kampf für eine demokratische Türkei entscheidend sein. Der Diktator Erdoğan will bei den nächsten Wahlen seine Herrschaft verewigen. Ein großer Teil der Erdoğan-Wähler:innen sitzt leider auch in Deutschland. Und es ist kein Geheimnis, dass insbesondere in der Wählerschaft der SPD viele streng konservative Muslime und Anhänger von Erdoğans AKP gibt, mit denen es sich die Partei nicht verscherzen will. Das ist auch der Hauptgrund, warum die Wuppertaler SPD der Hauptförderer des Wuppertaler DITIB-Projekts an der Gathe ist. Einzelne Gemeindemitglieder, die einfach ihre Religion praktizieren, werden dabei zum Spielball politischer Interessen. In der Türkei wird systematisch der Einfluss der Diyanet-Behörde über religiöse auf soziale Einrichtungen hinaus ausgeweitet und diese Entwicklung ist auch in Deutschland zu verzeichnen. Es wird Religionsunterricht an Schulen erteilt. Es gibt, wie kürzlich in Essen, Vorstöße einen Jugendhilfe Träger zu installieren und auch an der Gathe ist seitens der DITIB davon die Rede ‚generationsübergreifend Verantwortung‘ zu übernehmen.“

Genau das wollen wir nicht! Die DITIB steht, ,als Islamverband eben nicht für Miteinander und Toleranz', so die treffende Formulierung des CDU-Abgeordneten de Vries, ,sondern für Nationalismus, Kriegsverherrlichung, Hetze gegen Christen und Juden und das Ausspionieren der eigenen Glaubensbrüder'. In einem Stadtteil, wo so viele Menschen mit unterschiedlichen Geschichten und Einstellungen leben und auch viele Menschen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sind, erwarten wir hingegen Einrichtungen, die sich demokratischen Entscheidungsprozessen und politischer Teilhabe nicht entziehen.

Die SPD lässt viele andere Deutsch-Türk:innen und Deutsch-Kurd:innen im Stich, die die Erdoğan-Diktatur nicht mehr ertragen können und auf die Abwahl Erdoğans hoffen. Diese Demokrat:innen sehen mit Sorge, dass die Menschenrechte in der Türkei weiter mit Füßen getreten werden, dass Politiker:innen der Oppositionsparteien HDP und CHP mit obskuren Terror-Anklagen im Gefängnis verschwinden. Sie sehen mit Sorge, dass ein neuer Krieg gegen die Kurd:innen in Rojava geführt wird, gegen die selben kurdischen Kräfte, die mit Waffen und Luftunterstützung der USA die islamistischen Mörder des ,Islamischen Staats' besiegten.“

Kritiker:innen werden auch in Deutschland denunziert

„Kritiker:innen des Erdoğan-Regimes leben übrigens auch in Deutschland gefährlich. Es ist leider nicht so einfach, z.B. die Baupläne der Wuppertaler DITIB öffentlich zu kritisieren ohne das AKP oder MHP-Denunziant:innen dies türkischen Stellen melden. Sogar Erdoğan-kritische Posts bei Facebook oder Twitter sind gefährlich: Manch ein Türkei-Urlaub hat in den letzten Jahren wegen angeblicher Präsidentenbeleidigung oder ,Terrorunterstützung' in Haft und vor Gericht geendet.“

Chance für neue Bündnisse

Die alternativen Planungen ließen sich als Chance begreifen, wie im Gezi-Park, ungewöhnliche Bündnisse zu schmieden: „mit Linken, Gewerkschaftler:innen, Architekt:innen, Künstler:innen und natürlich auch mit Klima-Schützer:innen und Fußballfans…“

Über Termine für anstehende Aktionen, den aktuellen Stand der Planungen und weiteres wird hier informiert.