Wieso schreibt der VS die „Hayir-Kampagne“ der PKK zu?

In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung wirft die Linkspolitikerin Ulla Jelpke die Frage auf, warum die Kampagne gegen die Verfassungsänderung in der Türkei vom vergangenen Jahr im VS-Bericht der PKK zugeschrieben wird.

Unter der Überschrift „Darstellung der Hayir-Plattform im Verfassungsschutzbericht 2017“ richtet die Abgeordnete Ulla Jelpke der Fraktion DIE LINKE eine kleine Anfrage an die Bundesregierung.

Am 16. April 2017 fand in der Türkei ein Referendum über die Änderung der türkischen Verfassung hin zu einem Präsidialsystem mit weitrechenden Befugnissen für das Staatsoberhaupt statt, bei dem 51,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Verfassungsänderung stimmten. Kritikerinnen und Kritiker der Verfassungsreform sahen darin einen entscheidenden Schritt hin zu einem autoritären Ein-Mann-System. Dem Nein-Lager in der Türkei gehörten unterschiedlichste politische Kräfte von der kemalistischen Oppositionspartei CHP über die linke HDP bis hin zur IYI Partei als einer Abspaltung der rechtsextremen MHP an, die selber ebenso wie die regierende AKP die Verfassungsänderung unterstützte.

Da im Ausland lebende türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger abstimmungsberechtigt waren, bildeten sich auch in Europa und der Bundesrepublik Zusammenschlüsse unterschiedlicher oppositioneller Kräfte, um für ein Nein (Hayir) zu werben.

Im vergangene Woche vorgestellten Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2017 heißt es zur Hayir-Kampagne unter anderem: „So wurde beispielsweise Ende Januar 2017 ein überwiegend von PKK-Aktivisten und PKK-nahen Organisationen getragenes europaweites Bündnis, die Plattform „‘Nein‘ in Europa“, gegründet, deren Ziel der Zusammenschluss aller Gegner Erdoğans war. In diesem Kontext wurde die ‚Hayir‘-Kampagne initiiert, an der sich sodann auch regionale Bündnisse (‚Plattformen‘) beteiligten. Im Rahmen dieser Kampagne fanden bundesweit, wie auch in ganz Europa, zahlreiche friedlich verlaufene Kundgebungen und Veranstaltungen statt, bei denen um Nein-Stimmen zu der geplanten Verfassungsänderung in der Türkei geworben wurde.“

In diesem Zusammenhang hat Ulla Jelpke mit ihrer Fraktion der Bundesregierung folgende Fragen gestellt:

1.           Wie kommt die Bundesregierung zu ihrer im Verfassungsschutzbericht 2017 getätigten Einschätzung, die Avrupa’da Hayir Platformu sei ein „überwiegend von PKK-Aktivisten und PKK-nahen Organisationen getragenes europaweites Bündnis“?

2.           Welche Kräfte, Parteien, Verbände, prominenten Einzelpersonen und gesellschaftlichen Spektren im Einzelnen haben nach Kenntnis der Bundesregierung in der Türkei die Nein-(Hayir) Kampagne anlässlich des Referendums über die Einführung eines Präsidialsystems getragen? Welche dieser Kräfte sind nach Kenntnis der Bundesregierung PKK-nah und welche nicht?

3.           Welche türkeistämmigen und nicht türkeistämmigen Kräfte, Parteien, Verbände, prominente Einzelpersonen und gesellschaftlichen Spektren in Europa bzw. Deutschland haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung an der Nein- (Hayir) Kampagne anlässlich des Referendums über die Einführung eines Präsidialsystems beteiligt (bitte einzeln aufführen)? Welche dieser Kräfte sind nach Kenntnis der Bundesregierung PKK-nah und welche nicht?

4.           Von welchen Verbänden, Parteien oder Personen im Einzelnen ging wann die Initiative zur Gründung der Avrupa’da Hayir Platformu (Nein in Europa Plattform) aus (bitte einzeln aufführen)? Welche davon stuft die Bundesregierung als PKK-Aktivisten oder PKK-nahe Organisationen ein und welche Rolle spielten diese bei der Gründung der Plattform?

5.           Welche Verbände, Parteien oder Personen beteiligten sich im Einzelnen in welcher Form an der Avrupa’da Hayir Platformu? Welche davon stuft die Bundesregierung als PKK-Aktivisten oder PKK-nahe Organisationen ein und über welchen Einfluss verfügten diese innerhalb der Plattform?

6.           Welche regionalen Bündnisse (Plattformen), die sich im Rahmen der Hayir-Kampagne in Deutschland bildeten, sind der Bundesregierung bekannt?

a)           Von welchen Verbänden, Parteien oder Personen ging jeweils die Initiative zur Gründung der regionalen Bündnisse aus, welche davon stuft die Bundesregierung als PKK-Aktivisten bzw. PKK-nahe Organisationen ein und bei welchen sieht sie keinen PKK-Bezug?

b)           Welche Verbänden, Parteien oder Personen beteiligten sich jeweils in welcher Form an welchen regionalen Bündnissen? Welche davon stuft die Bundesregierung als PKK-Aktivisten oder PKK-nahe Organisationen ein und bei welchen sieht sie keinen PKK-Bezug?

c)            Welche Rolle spielten PKK-Aktivisten bzw. PKK-nahe Organisationen nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb regionaler Bündnisse, die sich anlässlich der Hayir-Kampagne in Deutschland gebildet haben und über welchen Einfluss verfügten sie darin?

7.           Welche Kundgebungen und Veranstaltungen im Rahmen der Hayir-Kampagne in Deutschland sind der Bundesregierung im Einzelnen bekannt geworden?

a)           Wie viele Personen aus welchen gesellschaftlichen bzw. politischen Spektren und welche Organisationen beteiligten sich jeweils daran?

b)           Inwieweit wurden auf diesen Kundgebungen und Veranstaltungen Symbole oder Slogans verwendet, die die Bundesregierung der PKK zurechnet (bitte einzeln anführen und angeben, wie repräsentativ diese Parolen oder Symbole jeweils für die Gesamtzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bzw. Veranstalter der jeweiligen Kundgebung oder Veranstaltung waren)?

8.           Wie und mit welchen Quellen begründet die Bundesregierung ihre Darstellung im Verfassungsschutzbericht 2017, „Die PKK lehnte die Verfassungsänderung ab, da sie bei einer Ausweitung der Befugnisse des türkischen Staatspräsidenten eine Verschärfung der gegen sie gerichteten Repressionen sowie eine Intensivierung der militärischen Auseinandersetzungen befürchtete“ (Verfassungsschutzbericht 2017, S. 219)? Sind der Bundesregierung weitere Ablehnungsgründe des Präsidialsystems von Seiten der PKK bekannt und wenn ja, welche?