Der Samstag auf dem Camp „Rheinmetall Entwaffnen“ in Unterlüß bot neben der Demonstration am Vormittag eine Informationsveranstaltung zu Rheinmetall-Niederlassungen auf Sardinien und in Südafrika.
Aus Südafrika ist Rhoda Ann Bazier angereist. Sie ist seit 2001 Vertreterin des ANC im Stadtteil Makkasar von Kapstadt und eröffnet ihren Vortrag kämpferisch mit den Parolen „Power to workers struggle“ und „Amandala!“.
„Unser Ansatz war immer: wenn du sie nicht schlagen kannst, werde Teil von ihnen. Wir sind in die Parlamente gegangen, um Arbeitsbedingungen in den schwarzen Stadtteilen zu verändern“, erklärt Rhoda. In Südafrika gibt es als Folge der Apartheit immer noch große Widersprüche zwischen arm und reich. „Ich habe Solidarität und Liebe hat mit hierhergebracht, um Rheinmetall zu entwaffnen und niederzuringen“, fährt sie fort.
Sie erklärt, dass sich in Makkasar seit der Apartheit nicht viel geändert habe. In dem Stadtteil betreibt Rheinmetall eine Munitionsfabrik. 90 Prozent der Arbeiter*innen sind Gelegenheitsbeschäftigte, oft daure es Jahre, bis sie eine Festanstellung bekommen. Die Beschäftigung sei durch die Leiharbeitsfirma Blue organisiert. In dem Betrieb werden Handgranaten, Schießpulver, chemische Waffen und Raketen hergestellt. Seit Jahren sei es immer wieder zu Explosionen gekommen, bei denen Menschen schwer verletzt wurden und sogar Gliedmaßen verloren hätten. „Du arbeitest dort für Jahre, wirst durch die Giftstoffe vergiftet und verletzt. Wenn du endlich Rente bekommst, hast du nicht mehr viel davon, denn du stirbst schnell durch all die Chemikalien“, fährt Rhoda fort.
„Wir wollen, dass Rheinmetall in Makkasar geschlossen wird“
2018 gab es einen schwerwiegenden Unfall, bei dem acht Menschen ums Leben kamen. Ein ganzer Wohnblock flog in die Luft. „Wir wollen, dass Rheinmetall diese Fabrik schließt, darum bin ich hier, um weltweite Unterstützung für diese Forderung zu finden“, so Rhoda. „Zwei Tage nach der Explosion sollten die schwer traumatisierten Familien viele Papiere unterschreiben, ohne dass sie wussten, um was es ging.“
Rhoda beschreibt weiter, dass die Familien ihre Toten nicht sehen konnten. Rheinmetall habe versucht, den Unfall einem der getöteten Vorarbeiter in die Schuhe zu schieben. 450.000 Menschen seien durch die Zerstörung der Explosion betroffen gewesen.
Die einzige überlebende Zeugin, Shafika Naidoo, ist eine Gelegenheitsarbeiterin, die erst kurz zuvor fest angestellt wurde. Im Juli dieses Jahres wurde sie entlassen, als sie psychologische Behandlung aufgrund des erlittenen Traumas brauchte. Als sie Arbeitslosengeld beantragen wollte, musste sie feststellen, dass ihre Papiere nicht registriert waren. Es ist eine Praxis von Rheinmetall, den Beschäftigten keine Kopie der Arbeitsverträge zu geben. Shafika Naidoo bekommt daher kein Arbeitslosengeld.
Keine angemessene Entschädigung
In der Folge mussten die Angehörigen der Toten, die im Alter von 18 bis 42 Jahren waren, feststellen, dass Rheinmetall sie mit einer sehr geringen Summe von nur einer Million Rand abspeisen wollte. Familien, die ihre Ernährer verloren hatten, konnten das Schulgeld für ihre Kinder nicht mehr bezahlen. Sie wurden überhaupt nur unterstützt, wenn sie auf weitere Forderungen verzichteten. Einige Familien ließen sich aus Not auf diesen Deal ein. Rheinmetall versuchte zu verhindern, dass die Familien zusammenkamen. „Die Familien wurden in ihrer Trauer überrumpelt, damit sie unterschreiben. Wir brauchen Unterstützung, um die Schließung dieses Werkes durchzusetzen“, sagt Rhoda. „Die Nelson Mandela Foundation unterstützt uns, aber wir brauchen bekannte Gesichter, um unsere Forderung durchzusetzen und bekannt zu machen“, schließt sie: „Es lebe die Entwaffnung von Rheinmetall!“
Produktion von Bomben und Minen auf Sardinien
Auch auf Sardinien ist Rheinmetall tätig. Stefania aus der antimilitaristischen Bewegung auf Sardinien ist die nächste Rednerin. Sie beschreibt die Militärpräsenz auf Sardinen als sehr stark. Die antimilitaristische Bewegung auf der italienischen Insel im Mittelmeer ist schon seit den 1950er Jahren aktiv. Sie richtet sich gegen die Übungsgelände und Rüstungsbetriebe. Rheinmetall hat dort mit der SPA Italia eine 100-prozentige Tochterfirma, die Bomben und Minen produziert, führte Stefania aus. Der Sprengstoff werde von einer italienischen Firma hergestellt, die zunächst für zivile Zwecke wie Straßen- und Bergbau produziert, sich in den 2000er Jahren jedoch mit Rheinmetall verbunden habe. Der Widerstand gegen die Produktion sei vor allem mit der ersten Intifada und dem Irakkrieg entstanden. 2011 wurde Rheinmetall Italia gegründet, der offizielle Sitz ist in Rom. Rheinmetall hat die italienischen zivilen Firmen übernommen und zu einem Teil von Rheinmetall Defence umgewandelt.
Laboratorium des Krieges
Vor 2015 waren Großbritannien, Frankreich und Saudi-Arabien die Hauptkunden, seit dem Jemenkrieg sind es Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Widerstand wachse seither aus ethischen, aber auch aus ökologischen Gründen, erklärte Stefania. Große Teile von Sardinien seien militarisiert, sowohl zu Land als auch über dem Seegebiet finden ständig militärische Übungen statt. 65 Prozent der Militäranlagen Italiens befinden sich auf Sardinien. Der Militärflughafen wird sowohl von der italienischen als auch von der deutschen Luftwaffe genutzt. Ständig finden Luftwaffenübungen, Panzerübungen, Übungen mit verschiedensten Rüstungsgütern statt. Jedes Rüstungsunternehmen weltweit kann dort Übungen durchführen, vor allem käme es zum ständigen Einsatz von Kampfjets. „Sardinien ist ein Laboratorium des Krieges“, fährt Stefania fort.
Seit den 1990er Jahren werden viele Informationen gesammelt und eine Gegenöffentlichkeit geschaffen. Es wurde versucht, juristisch gegen die Militarisierung vorzugehen. Immer wieder gibt es Demonstrationen, so zum Beispiel 2014 gegen die Beteiligung Israels an einer Militärübung im Ort Capo Frasco. Dort hat es laut Stefania zehn Tage aufgrund von Schießübungen der Luftwaffe gebrannt. Dies habe die Wut der Sarden angefacht. Bis zu 10.000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration, Zäune zu den Übungsplätzen wurden zerschnitten. In der Folge sagte Israel die Beteiligung an der Übung ab. Dies sei ein großer Erfolg gewesen, der gezeigt hat, dass es möglich ist, Militärübungen zu stoppen.
Danach konzentrierte sich der Widerstand auf ökonomischen Schaden, so wurden zum Beispiel Blockaden an Produktionsstandorten durchgeführt. Es sei auch gar nicht nötig, in die Anlagen hineinzugelangen. „Wir haben herausgefunden, dass die Produktion gestoppt werden muss, wenn sich Menschen direkt bei der Anlage befinden“, fährt Stefania fort.
Rheinmetall investiert weiter auf Sardinien
Am 10. Juli 2016 wurde gleichzeitig mit der Aktionärsversammlung in Berlin demonstriert. Wie in Unterlüß wurde der Schichtwechsel der Belegschaft blockiert. Im April 2017 wurde eine Demonstration zu einem Beerdigungszug für die Kinder in Jemen, denn es war der zweite Jahrestag des Kriegsbeginns im Jemen. 2017 beschloss Rheinmetall, 40 Millionen Euro in den Ausbau zu investieren. Der Ausbau sei jedoch illegal, denn es gebe keine Genehmigungen zum Ausbau von Militäranlagen, ebenso fehlen Umweltverträglichkeitsstudien, erklärt Stefania. Sicherheitszertifikate fehlen, denn Explosivstoffe dürfen nicht in der Nähe bewohnter Gebiete produziert werden.
Die Veranstaltung hat deutlich gezeigt, dass Rheinmetall grenzenlos und gewissenlos Waffen für die Kriegsgebiete der Welt produziert und auch der Widerstand sich international organisieren muss, um Rheinmetall zu stoppen. Das Camp in Unterlüß hat einen ersten Schritt geschaffen, um sich gemeinsam gegen die mörderische gewissenlose Profitgier des globalen Konzerns zu organisieren.