Welt-Kobanê-Tag in Nürnberg und Berlin

In Nürnberg lud das Medya Volkshaus ein zu einer Kundgebung als Auftakt zur Aktionswoche „Rise Up Against Fascism”. Unter strengen Corona-Auflagen beteiligten sich auch ATIK, AGIF und die iL an der Aktion. In Berlin fand eine Demonstration statt.

Wegen dunkelroter Corona-Ampel konnte in Nürnberg der Welt-Kobanê-Tag als Auftakt zur Aktionswoche „Riseup Against Fascism” nur bescheiden begangen werden. Statt einer geplanten Demo trafen sich Vertreter*innen verschiedener Gruppen wie ATIK, AGIF und Interventionistische Linke (iL) bei einer Kundgebung, zu der das Medya Volkshaus eingeladen hatte.

In Redebeiträgen wurde die Revolution von Rojava thematisiert: der Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS), die Anstrengungen und Erfolge im Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung, die Wirkkraft einer gesellschaftlichen Organisierung nach den Entwürfen des PKK-Gründers Abdullah Öcalan weit über die Grenzen Rojavas hinaus.

Eine Vertreterin der PYD schwor die Teilnehmer*innen in kurdischer Sprache darauf ein, wachsam zu bleiben und dem türkischen Faschismus überall entschieden entgegen zu treten. Im Verbund mit islamistischen Milizen versuche die türkische Armee, die Errungenschaften der Revolution in Rojava zu zerstören. Das gelte es zu verhindern, der Widerstand gegen die Feinde einer demokratischen, multiethnischen Gesellschaft müsse noch viel größer werden. So wie die Revolution von Rojava Inspiration für uns alle ist, seien wir gemeinsam auch für ihre Verteidigung verantwortlich, so die Rednerin.

Das Medya Volkshaus verwies auf die von der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) zum 40. Jahrestag des Militärputsches in der Türkei ausgerufene Kampagne „Schluss mit Isolation, Faschismus und Besatzung – Zeit für Freiheit“. Eine Rednerin erinnerte daran, dass der „Vater” der Revolution in Rojava Abdullah Öcalan heißt. Solange sich der Gründer der PKK isoliert in türkischer Geiselhaft befindet, wird es keinen Frieden geben können. Die Freiheit Abdullah Öcalans ist Voraussetzung iür einen Dialog, der die Kriege im Mittleren Osten und den türkisch-islamistischen Staatsterror beenden könne. Die Zeit für eine Demokratisierung der Gesellschaft und für Freiheit, nach der sich alle sehnen, sei gekommen.

Kundgebung in Nürnberg

Die Interventionistische Linke (iL) – seit 2019 Teil der Kampagne „RiseUp4Rojava” – veröffentlichte zur Aktionswoche „From Kobanê to the World – Rise up against Fascism!“ einen Flyer mit einer klaren Positionierung: Nein zu Erdoğans neo-osmanischem Reich! Nein zur Unterstützung des türkischen Faschismus! Ja zur Revolution in Rojava, ja zur PKK, ja zu Abdullah Öcalan! Die Rede der iL wurde ANF zur Verfügung gestellt:

Liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist jetzt sechs Jahre her, dass die Bevölkerung von Kobanê 133 Tage lang einen legendären Widerstand gegen den sogenannten IS leistete. Dieser Widerstand führte letztlich zur Niederlage über die Armee aus Mördern und Vergewaltigern. In Solidarität mit den Menschen, die damals den Kampf um eine freiheitliche und demokratische Welt gewonnen haben wurde der 1. November als Internationaler Welt-Kobanê-Tag ausgerufen.

In den letzten sechs Jahren hat sich Gedanke der Freiheit auf große Gebiete Nordsyriens ausgeweitet. Es wurde eine demokratische Selbstverwaltung aufgebaut, die versucht, das zu leben, was vielen Menschen in den Metropolen wie eine Utopie erscheint: eine radikale Demokratie von unten, die in einem Gesellschaftsvertrag festgeschrieben ist. Frauen ermächtigten sich selbst in autonomen Strukturen. Die Parole „Jin Jîyan Azadî“ - „Frau – Leben – Freiheit“ eroberte die Welt. Und inmitten eines von Kriegen zerstörten Landes verstanden die Menschen, dass sie mit der Natur leben wollen. Ein Gegenentwurf zur ökologischen Verwüstung der Kapitalistischen Moderne bestimmt jetzt das wirtschaftliche Leben und Handeln.

Die Pfeiler von Gesellschaften, die sich nach dem Demokratischen Konföderalismus organisieren, sind Basisdemokratie, Frauenbefreiung und Ökologie. Erdacht oder entwickelt hat dieses Modell der Vordenker der Freiheitsbewegung Abdullah Öcalan.

Er hat vor über 40 Jahren den Grundstein gelegt für ein Aufbegehren gegen Kolonialismus und Ausbeutung. War es zu Beginn noch ein Widerstand gegen den nationalistischen türkischen Staat und die Cliquen der Großgrundbesitzer mit dem Ziel einer Revolution nach sowjetischen Vorbild, änderte sich dies und die Freiheitsbewegung schrieb ihr eigenes Paradigma. Es soll eine Welt entstehen, in alle Ethnien, Geschlechter und Religionsgemeinschaften Platz haben und genossenschaftlich zusammenleben.

Mit diesem Modell einer sich selbst organisierenden Gesellschaft forderte Öcalan alle heraus, die auf dem Konzept von Nationalstaaten bestehen und den sogenannten „westlichen Lebensstil“ der Kapitalistischen Moderne als „alternativlos“ sehen.

Als Antwort darauf setzte ein gnadenloser Kampf ein, der vorauszusehen war. Wer die Daseinsberechtigung der Nationalstaaten in Frage stellt, ist „Staatsfeind“. Je erfolgreicher sich die Idee verbreitet, dass Nationalismus und Rassismus Gift sind für ein ein demokratisches Miteinander, desto erbitterter wird eine Freiheitsbewegung bekämpft. Das gilt für die PKK wie für alle anderen Bewegungen. Man nennt sie „Terroristen“, jagt sie, sperrt sie ein, tötet sie. Dies ist bis heute so geblieben. Nicht nur in der Türkei. Auch in Deutschland. Und es ist nicht nur eine Gefälligkeit der Bundesregierung an den türkischen NATO- und Handelspartner. Es ist ein Kampf der Systeme – die Kapitalistische gegen die Demokratische Moderne.

Wenn das nur in schlauen Büchern niedergeschrieben wäre, sähe man darin keine Gefahr. Aber die Bewegung lebt und wirkt im Hier und Jetzt. Öcalan hat immer betont, dass es auf die praktische Umsetzung eines freien Lebens von jedem Einzelnen ankommt.

Die Freiheitsbewegung wird deshalb zur Gefahr, weil sie die Gesellschaft organisiert und Gegenstrukturen aufbaut. Diese zu zerschlagen, wird immer wieder probiert. Wir sehen es an den aktuellen Angriffen gegen die HDP. Die sogenannten Kobanê-Ermittlungen, die heute eine neue Verhaftungswelle gegen die Partei der Völker einleiteten, sind eine Racheoperation wegen des Siegs in Kobanê. Die Angriffe auf die Guerilla in Heftanîn sind der verzweifelte Versuch, den Samen der Revolution zu vernichten. Das wird nicht gelingen, denn der Widerstand lebt.

Der physischen Isolation von Abdullah Öcalan zum Trotz haben seine Ideen längst die Berge Kurdistans verlassen. Die Revolution von Rojava hat Menschen auf der ganzen Welt inspiriert. Ihre Verteidigung wird damit zu einer kollektiven Verantwortung. Lassen wir es nicht zu, dass sie uns die Hoffnung nehmen auf ein Leben jenseits von Macht Staat und Gewalt.

Wir sagen nicht nur „Hoch die Internationale Solidarität“, sondern im gleichen Atemzug „Bijî Berxwedanê Rojava“ – Es lebe die Revolution von Rojava“

Demonstration in Berlin

In Berlin fand anlässlich des Welt-Kobanê-Tages eine Demonstration statt. Der Marsch startete am Nachmittag unter einem bunten Fahnenmeer vom Hermannplatz in Neukölln Richtung Kreuzberg. Mit dabei waren auch die Bundestagsabgeordneten Helin Evrim Sommer und Gökay Akbulut von der Partei DIE LINKE, der Berliner PYD-Vertreter Süleyman Raco und die TJA-Aktivistin Zozan Ararat.

Gökay Akbulut am Mikrofon

In Redebeiträgen wurde auf den großen Beitrag der Kämpferinnen und Kämpfer der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ im Widerstand um die Befreiung Kobanês und den restlichen Gebieten Nord- und Ostsyriens vom IS-Terror hingewiesen.