USA wollen deutsche Dschihadisten anklagen
Die USA planen mehrere deutsche Dschihadisten aus Nordsyrien wegen des Angriffs auf das US-Konsulat in Bengasi im Jahr 2012 ins Land zu holen und anzuklagen.
Die USA planen mehrere deutsche Dschihadisten aus Nordsyrien wegen des Angriffs auf das US-Konsulat in Bengasi im Jahr 2012 ins Land zu holen und anzuklagen.
Mit der Zerschlagung der Territorialherrschaft des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Syrien durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) gerieten Tausende Dschihadisten, denen schwerste Verbrechen zur Last gelegt werden, in Gefangenschaft. Viele der Dschihadisten stammen aus allen möglichen Ländern der Welt, Zählungen zufolge aus 44 verschiedenen Nationen. Etliche inhaftierte Dschihadisten stammen aus Deutschland.
Zammar – IS-Dschihadist aus dem Umfeld Attas
Einer von ihnen ist Mohammed Haydar Zammar. Er kommt aus dem Umfeld der Zelle um Mohammed Atta, welche die Anschläge am 11. September 2001 verübt hatte, und nahm US-Behörden zufolge am Angriff auf die US-Botschaft im libyschen Bengasi am 11. September 2012 teil. Dabei wurden unter anderem der US-Botschafter John Christopher Stevens und zwei CIA-Mitarbeiter ermordet.
Auslieferung Zammars und Yunus Emre Sakaryas geplant
Im Fall Zammar hat sich im September das FBI an das deutsche Justizministerium gewandt und gefragt, wie die Bundesregierung dazu stehe, wenn zwei deutsche Dschihadisten, unter ihnen Zammar, aus Nordsyrien in die USA zu einem Gerichtsverfahren gebracht würden. Die USA würden garantieren, dass keine Todesstrafe verhängt werde.
Yunus Emre Sakarya – gedeckt vom türkischen Staat
Bei dem zweiten Deutschen handelt es sich um Yunus Emre Sakarya. Auch er war am Anschlag von Bengasi beteiligt und als Logistiker beim IS tätig. In einem langen Interview, das ANF mit ihm in Haft geführt hat, berichtet er, wie er nach dem Anschlag vollkommen unbehelligt in die Türkei reiste.
Mit Handgranate in der Tasche unbehelligt in Türkei eingereist
Der Kölner erklärte, im Januar 2013 gemeinsam mit seinem Bruder, einer in Deutschland wegen eines Bombenanschlags gesuchten Person, und dessen Ehefrau – ausgestattet mit offiziellen libyschen Pässen der mit der Türkei verbündeten Muslimbruderregiergung –, von Trablus nach Istanbul geflogen zu sein. „Wir hatten Bärte. Es gab keine Verkleidung. Al-Qaida hatte uns ohne jegliche Durchsuchung ins Flugzeug gebracht. Der Verantwortliche von Ansar al-Sharia war auch dabei. In der Tasche trug er eine Handgranate, im Gürtel eine Pistole. Wir konnten einfach einsteigen. Er sagte: ‚Setzt euch dorthin.‘ Wir hatten lange Gewänder an und trugen Bärte. Der Name des Bombenbauers war Samir. Seine Frau war voll verschleiert. Wir wurden als die vier Ersten in einem Versuch dorthin geschickt. Nach uns sollten noch andere kommen. Wenn es Probleme gäbe, würden Maßnahmen ergriffen werden. Wir kamen vollkommen entspannt durch. Samir und seine Frau trennten sich von uns am Flughafen. Sie gingen nach Antep oder Urfa. Ich blieb mit meinem Bruder zwei Wochen im Bomonti Hilton. Wir haben unsere Einkäufe erledigt. Ohne jegliche Probleme.“
IS-Logistiker pendelt über Grenzübergang zwischen IS und Türkei
Er pendelte zwischen dem „Islamischen Staat" und der Türkei, ließ sich in der Türkei nieder und arbeitete dort als Logistiker für den IS. Unter anderem beschaffte er Funkgeräte und Elektronik für die Ausstattung von Drohnen. Diese brachte er über offizielle türkische Grenzübergänge zum IS. Yunus Emre Sakarya wurde mit Haftbefehl per Interpol gesucht. Er wird, als er sich 2015 einen Pass ausstellen lassen will, von Antiterroreinheiten in der Türkei festgenommen und nach zwei Stunden wieder freigelassen. Sakarya erzählt: „Die Polizei hat die Drohnen bei mir zu Hause gesehen. Ich habe gesagt, dass ich Handel treibe. Sie brachten mich auf die Polizeidirektion in Ankara. Ich hatte zuvor erfahren, dass sie, als ich meinen Ausweis beantragt hatte, erfahren haben, dass ich per Interpol gesucht werde. Also habe ich mir keinen Ausweis geholt und bin wieder gegangen. Sie haben mich aber erwischt. Auf der Polizeidirektion sprachen sie ebenfalls über Interpol. Danach ließen sie mich frei. Nach dem Telefongespräch sagte der Mann: ‚Entschuldige Yunus, das war ein Missverständnis. Du kannst gehen.‘ Ich habe ein Taxi genommen und bin nach Hause gefahren.“
Auslieferungswunsch wirft Licht auf Scheinmoral der Bundesregierung
Die Bundesregierung antwortete der Tagesschau zufolge den USA, es handele sich bei den besagten Personen um deutsche Staatsangehörige, gegen die der Generalbundesanwalt ermittele und bereits Haftbefehle erwirkt habe. Daher könne man einer Überstellung an die USA nicht zustimmen. Allerdings hat Deutschland keinerlei Anstalten unternommen, den Haftbefehl in Nordsyrien zu vollstrecken. Die Behörden der Selbstverwaltung wären gerne bereit gewesen, die Last der inhaftierten Dschihadisten an die Herkunftsländer abzutreten. Deutschland hat sich weder um die Auslieferung von Zammar, noch um die der anderen in Nordsyrien internierten Dschihadisten mit deutscher Staatsangehörigkeit bemüht. Während die Bundesregierung andere Länder wie Tunesien zu „Rücknahmeabkommen“ von Gefährdern und Straftätern zu zwingen versucht, weigert sich Deutschland die „eigenen“ Dschihadisten aus Nordsyrien zurückzunehmen und schafft damit ein akutes Sicherheitsproblem. Hinter dieser Politik steht nicht nur der Wunsch, innenpolitisch den Eindruck zu vermeiden, „gefährliche Personen“ zurück ins Land zu holen, sondern vor allem auch eine diplomatische Anerkennung der Selbstverwaltung in Nordsyrien in Rücksicht auf die engen Beziehungen nach Ankara zu vermeiden.