„Todesurteile gegen Eziden im Irak sind politisch motiviert“

Ezidische Organisationen aus Europa bezeichnen die Todesstrafe gegen vier junge Männer in Mosul als politisch motiviert und im Geiste des IS. Sie fordern den Irak und die internationale Gemeinschaft auf, für Gerechtigkeit und Minderheitenschutz zu sorgen.

Ezidische Organisationen in Europa protestieren gegen die Todesstrafe, die am Mittwoch gegen vier junge Männer unter 20 Jahren von einem irakischen Gericht in Mosul verhängt worden ist. Den vier Eziden wird ein Zweifachmord an zwei Angehörigen des arabischen Schammar-Stammes angelastet. Die Leichen der beiden Männer waren am 26. September 2020 auf der Verbindungsstraße in das Dorf Til Ezer (ar. al-Qahtaniyya) gefunden worden. Noch am selben Tag führten irakische Sicherheitskräfte eine Razzia durch und nahmen die vier Eziden fest. Die Betroffenen bestreiten die Mordvorwürfe an den Mitgliedern des ursprünglich beduinischen Stammes und auch ihre Eltern widersprechen den Anschuldigungen massiv.

In der gemeinsamen Erklärung von sieben ezidischen Organisationen in Europa heißt es:

„Das hohe Gericht des irakischen Staates in Mossul hat gegen vier ezidische Jugendliche eine Todesstrafe verhängt, was die gesamte ezidische Gemeinschaft weltweit zutiefst erschüttert hat. Diesen Jugendlichen (Shaalan Elias Qasim Selo, Farouk Hama Faisal Hama, Saeed Khader Saadou Tarife, Ahmad Faris Salih Faris) wird vorgeworfen, zwei arabische Männer im September 2020 getötet zu haben. Diese tragische Tat wurde und wird von allen Eziden verurteilt, unabhängig davon, von wem und gegen wen sie verübt worden ist. Nach Darlegungen aus verschiedenen Quellen sollen diese Jugendlichen aber mit der Tat nichts zu tun gehabt haben.

Inakzeptabel ist insbesondere, wenn derartige Vorfälle stets zum Anlass genommen werden, um gezielt Stimmung gegen die Eziden in der Region zu machen. Aus derselben Motivation heraus hat der IS im August 2014 einen systematischen Völkermord gegen unsere Glaubensgemeinschaft begangen.

Wenn das Rechtsverständnis eines Staates politisch motiviert die Rechte der Mehrheit über die Rechte der Minderheiten hält und dementsprechend handelt, verliert er damit seine Legitimation gänzlich. Der irakische Staat ist verpflichtet, die Minderheiten und deren Rechte gegenüber der herrschenden Mehrheitsgesellschaft konsequent zu schützen. Erst recht, wenn es hier um die Eziden geht, zumal gegen diese vor sieben Jahren ein Völkermord mit verheerenden Konsequenzen stattgefunden hat.

Statt eine positive und sensible Strategie im Sinne der Eziden zu verfolgen, wird leider das Gegenteil im Irak beobachtet. Dies zerstört naturgemäß die Hoffnung und die Perspektive der Eziden, in Frieden, Freiheit und Sicherheit zu leben. Unter diesen Umständen kann die gewünschte Rückkehr der Flüchtlinge aus den Lagern in ihre angestammten Siedlungsgebiete ganz und gar nicht stattfinden. Insofern betrachten wir dieses Urteil vollkommen politisch motiviert und nicht gerecht. Es muss folglich umgehend zurückgenommen werden und ein neuer Prozess unter Beobachtung der internationalen Institutionen fair stattfinden.

Wir rufen die irakische Regierung, die internationale Gemeinschaft und alle einflussreichen Länder auf, in diesem konkreten Fall für Gerechtigkeit und den Minderheitenschutz zu sorgen. Diese Jugendlichen verdienen nicht den Tod, sondern ein Leben in Freiheit und Sicherheit.“

Unterzeichnet ist die Erklärung von NAV-YEK (Zentralverband der êzîdischen Vereine), SMJÊ (Dachverband des Êzîdischen Frauenrats), HCÊ (Bündnis der Êzîdischen Jugend), MŞD (Exil-Volksrat von Şengal), HÊS (Eintracht der ÊzîdInnen aus Syrien), NÇÊ (Zentrum Êzîdischer Künstler) und SMGÊ (Dachverband der êzîdischen Dörfer).