Aktionstag für Tişrîn-Damm und Kobanê: WDR zieht positives Fazit

Am Wochenende fanden in zahlreichen deutschen Städten diverse Aktionen statt, um auf die Kriegsverbrechen der Türkei in Nord- und Ostsyrien aufmerksam zu machen. Die Kampagne Women Defend Rojava zieht ein positives Fazit.

WOMEN DEFEND ROJAVA

Am Wochenende fanden in zahlreichen deutschen Städten verschiedene Aktionen und Protestveranstaltungen statt, um auf die Kriegsverbrechen der Türkei in Nord- und Ostsyrien aufmerksam zu machen. Die Kampagne Women Defend Rojava hatte gemeinsam mit Kongra Star, dem Dachverband der Frauenbewegung in Nordostsyrien, sowie den Organisationen Defend Kurdistan und Gemeinsam Kämpfen, und verschiedenen Ortsgruppen der Grünen Jugend, der Linkspartei, der Seebrücke und Ende Gelände zum „Tişrîn-Kobanê-Aktionstag“ aufgerufen. Zahlreiche Menschen beteiligten sich an den Protesten.

Women Defend Rojava beteiligte sich außerdem an der Tagung „Perspektive Rojava“ in Heidelberg und einer Filmvorführung von „When the Seedlings Grow“ in Köln, um vielfältige Gelegenheiten zu schaffen, bei denen sich über die derzeitige Lage in Nord- und Ostsyrien und speziell am Tişrîn-Damm informiert werden konnte.

Filmvorführung in Köln

Immer wieder wurde bei den Veranstaltungen und Demonstrationen der Kampf um die Stadt Kobanê und der Sieg über den IS am 26. Januar 2015 in Erinnerung gerufen. „Heute wird das historische Erbe der Befreiung Kobanês vom IS am Tişrîn-Damm verteidigt. Die menschenfeindliche, gewaltvolle und patriarchale Mentalität wird aktuell durch HTS, die Türkei und imperialistische Mächte in Syrien fortgesetzt“, erklärt Magdalena Kattowitz von Women Defend Rojava. „Wir waren in Deutschland auf den Straßen, weil das Modell des Demokratischen Konföderalismus, das in Nord- und Ostsyrien aufgebaut wurde, für uns die Hoffnung eines demokratischen Syriens repräsentiert. Die Selbstverwaltung muss anerkannt werden. Nur so können die Rechte von Frauen und Minderheiten in der Region langfristig garantiert werden.“

Demonstration in Heidelberg

Die Zukunft Syriens ist auch den Menschen in Deutschland ein Anliegen

Die Proteste, die unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Leipzig, Saarbrücken, Heilbronn, Nürnberg, Bremen, Kiel und Heidelberg stattfanden (über viele hatte ANF bereits berichtet), hätten deutlich gemacht, dass die Zukunft Syriens auch den Menschen in Deutschland ein Anliegen sei. Die Demonstrationen seien Orte des Austauschs gewesen, bei denen auch Diskussionen zu den anstehenden Bundestagswahlen und der US-Regierung unter Donald Trump stattfanden. Die Politik der Bundesregierung und besonders der grünen Außenministerin Annalena Bearbock sei vielfach kritisiert worden. „Vielerorts war spürbar, dass der Kampf der Menschen in Rojava Menschen inspiriert und Mut gibt, für radikale Veränderungen einzutreten.“

Aber nicht nur in Deutschland kam es zu Protesten. Dem Aufruf von Women Defend Rojava folgten Menschen in ganz Europa. So fanden Demonstrationen und Aktionen unter anderem in Spanien, Frankreich und Belgien statt.

Valencia

Zahl der Toten am Tişrîn-Damm wieder gestiegen

Auch der Protest am Tişrîn-Damm in Nord- und Ostsyrien wird mit der Friedenswache fortgeführt – trotz anhaltender Bombardements durch die türkische Armee und ihre Proxytruppe SNA. Die Zahl der Toten ist nach dem jüngsten Angriff vom Sonntag auf 22 gestiegen, die der Verwundeten liegt bei 217. Letzte Woche hatte die Situation an der lebenswichtigen Energieanlage am Euphrat mehr Aufmerksamkeit in Deutschland bekommen, als zwei Deutsche ebenfalls bei türkischen Drohnenangriffen verletzt wurden. Der deutsche Physiotherapeut und humanitäre Helfer Jakob Rihn und die Klimaaktivistin Lea Bunse erlitten Verletzungen durch herumfliegende Splitter aufgrund von Explosionen. Ihre Eltern und ihre Schwester beteiligten sich ebenfalls an den Protesten am Wochenende. Auch einer Kundgebung am Samstag in Heilbronn würdigten sie den Gesellschaftsvertrag von Nord- und Ostsyrien und betonten das besondere Potential, das in dem verfassungsähnlichen Vertrag, der das Zusammenleben der ethnischen Gruppen in der Region regelt, für eine Demokratisierung ganz Syriens steckt.


Die Zuspitzung der Konfliktlinien in Syrien ist auch in Deutschland spürbar. Ein kurdischer Geflüchteter wurde am Samstag in Kiel am Rande einer Kundgebung anlässlich des Jahrestags der Kobanê-Befreiung verletzt, als er von einem arabischen Syrer mit einem Messer attackiert wurde. Der Täter soll sich laut Zeug:innen provozierend verhalten und sich positiv auf den IS bezogen haben. Nach einer kurzen Festnahme befindet er sich wieder auf freiem Fuß, die Polizei ermittelt wegen schwerer Körperverletzung. Das Opfer ist nach einer Operation außer Lebensgefahr, liegt aber weiterhin in einem Krankenhaus.

Women Defend Rojava fordert Anerkennung der Selbstverwaltung

Auf einem Flugblatt von Women Defend Rojava hieß es: „Die Türkei zerbombt Syriens Zukunft“. Damit will die Kampagne darauf aufmerksam machen, dass die Türkei ein wesentlicher Akteur ist, der die aktuellen Friedensbemühungen in Syrien und den Aufbau demokratischer Strukturen verhindert. In Redebeiträgen brachte Women Defend Rojava deshalb auch immer wieder die Forderungen nach einem unverzüglichen Stopp der türkischen Angriffe auf Nord- und Ostsyrien und der Schließung des Luftraums für Kampfbomber der Türkei ein, damit die Zivilbevölkerung und lebenswichtige Infrastruktur aktiv geschützt werden können. Außerdem fordert die Kampagne von der Bundesregierung gefordert, die Angriffe auf Zivilist:innen durch die Türkei zu verurteilen und die internationale Anerkennung und Unterstützung der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) voranzutreiben. Auch verlangt Women Defend Rojava, dass Deutschland sich dafür einsetzt, dass Frauen in dem aktuellen Neugestaltungsprozessen in Syrien eine zentrale Rolle einnehmen und Minderheiten einbezogen werden, und eine unabhängige Untersuchung der Kriegsverbrechen der Türkei und des Assad-Regimes durchgeführt wird. Gleichzeitig macht Magdalena Kattowitz deutlich: „Wir wissen, dass wir von den Regierungen der Staaten eigentlich nichts erwarten können. Deshalb haben wir für unsere Aktionswochen den Hastag „TrustInWomenNotStates“ gewählt. Unsere große Hoffnung ist, dass weltweit sich die Menschen mit dem Widerstand von Rojava solidarisieren und zukünftig noch stärkere Bündnisse zwischen demokratischen Akteuren geschlossen werden.“

Banner-Drop in Freiburg

Banner-Drops für Tişrîn-Damm

Einige der Solidaritäts-Aktionen der vergangenen beiden Tage für Nord- und Ostsyrien fanden an wichtigen Infrastrukturanlagen statt. Bei einer Aktion in Freiburg etwa wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Türkei zerbombt Syriens Zukunft. Für eine demokratische Lösung – Jin, Jiyan, Azadî!" auf einer Brücke angebracht. Das Defend-Kurdistan-Bündnis aus Göttingen folgte ebenfalls dem Aufruf von WDR und machte einen Banner-Drop am Hochwasserrückhaltebecken Salzderhelden im Leinetal. Katharina Bünsing von Women Defend Rojava kommentierte die Aktionen: „Mit dem Kampf von Kobanê schallte der Ruf Jin, Jiyan, Azadî das erste Mal in die ganze Welt. Alle Menschen, die dieser Slogan inspiriert, sollten seine Geschichte kennenlernen. Für mich ist klar, dass die Philosophie von Jin, Jiyan, Azadî unser aller Leben verändern kann. Damit diese Veränderungen Realität werden, müssen Rojava und der Tişrîn-Damm erfolgreich verteidigt werden.“

Women Defend Rojava kündigt an, dass weitere Aktionen schon bald folgen, um die Angriffe der Türkei zu stoppen und Perspektiven für ein demokratisches Syrien mit starken Frauen zu ermöglichen: Im Rahmen des Global Month of Action.