Tausende demonstrieren für die Toten von Gazi

Zum 26. Jahrestag des Pogroms gegen die alevitische Bevölkerung im Istanbuler Stadtteil Gazi sind Tausende Menschen auf die Straße gegangen.

Im Istanbuler Stadtviertel Gazi hat 26 Jahre nach dem Massaker an der alevitischen Bevölkerung mit 22 Toten und Hunderten Verletzten eine Demonstration stattgefunden. Aufgerufen hatten die Vereinigten Widerstandskräfte (BMG) und die Plattform 12. März. Tausende Menschen versammelten sich vor dem alevitischen Gemeindehaus (Cemevi) und liefen mit Fotos der Toten zum ehemaligen Polizeirevier. Die Demonstration wurde von einem großem Polizeiaufgebot begleitet, darunter Hubschrauber, Panzerwagen und Wasserwerfer. Vor dem ehemaligen Postamt, an dem sich das Massaker ereignet hatte, wurden im Gedenken an die Toten Nelken niedergelegt.

Erkan Şimşek, dessen Schwester Dilek unter den Toten war, erklärte auf der Demonstration, dass das Viertel Gazi derartige Angriffe gewohnt ist. „Das Massaker galt allen Völkern. Die Mörder sind völlig entspannt von der Bildfläche verschwunden, aber die Wut von Gazi wird jedes Jahr auf die Straße getragen. Hier sind Dutzende Menschen getötet worden, Hunderte wurden verletzt, aber die Mörder sind nie bestraft worden.“

Die Suche nach Gerechtigkeit gehe weiter, erklärte der Aktivist der Plattform 12. März und wies auf den Widerstand der politischen Gefangenen in den Kerkern der Türkei hin. Zahlreiche Journalist*innen, Politiker*innen und Aktivist*innen seien unrechtmäßig inhaftiert, Werktätige würden als Terroristen deklariert.

Im Anschluss an die Demonstration wurde der Toten auf dem Friedhof von Gazi gedacht.

Hintergrund: Das Gazi-Massaker

Das Massaker von Gazi fand vom 12. bis zum 15. März 1995 statt und endete als Pogrom gegen die alevitische Bevölkerung. Mindestens 22 Menschen wurden dabei von Ultranationalisten und Polizisten ermordet. Es richtete sich, wie schon das Massaker von Sivas (kurd. Sêwas) nur zwei Jahre zuvor, gegen Alevitinnen und Aleviten. Von „unbekannten Tätern” aus nationalistischen Kreisen wurde in der Nacht zum 12. März 1995 ein Taxi in Gazi entführt und dem Fahrer die Kehle durchgeschnitten. Die Täter schossen daraufhin im Vorbeifahren mit automatischen Waffen wahllos in alevitische Cafés, Kulturhäuser und Konditoreien. Ein Mensch starb, zahllose weitere wurden verletzt. Anschließend wurde das Fahrzeug in Brand gesetzt.

Daraufhin kam es zu Protesten vor einer Polizeiwache, die 200 Meter vom Tatort entfernt lag. Die friedliche Demonstration eskalierte, als ein Militärpanzer in die Menschenmenge fuhr. Die „Sicherheitskräfte” ermordeten 20 Menschen durch gezielte Schüsse und verwundeten Hunderte. Das Pogrom war von systematischen Massenverhaftungen, Hausdurchsuchungen und Polizeiübergriffen in mehreren Istanbuler Stadtteilen begleitet. Einige der Inhaftierten gelten wie weitere tausende Menschen in der Türkei bis heute als „verschwunden”.