Der mittlerweile zu Holcim gehörende französische Zementhersteller Lafarge muss in der sogenannten Syrien-Affäre erneut vor Gericht: Am Donnerstag (Ortszeit) haben Ezidinnen und Eziden in den USA eine Klage gegen Lafarge bei einem Bundesgericht in New York eingereicht, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.
Dem französischen Zementhersteller Lafarge wird bekanntlich vorgeworfen, in den Jahren 2013 und 2014 – und damit vor der Übernahme 2015 durch den Schweizer Konkurrenten Holcim – Schmiergeld an die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) bezahlt zu haben, um die Produktion in der Zementfabrik in der südöstlich des Kantons Kobanê gelegenen Ortschaft Çelebiyê (al-Dschalabiyya) aufrechterhalten zu können.
Nach Angaben des US-Justizministeriums zahlte Lafarge dem IS sowie der früheren Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida, vom August 2013 bis zum Oktober 2014 insgesamt rund sechs Millionen Dollar. Im Herbst 2022 hatte Lafarge in diesem Zusammenhang einem Vergleich über 778 Millionen US-Dollar mit dem US-Justizministerium (DoJ) zugestimmt.
Nun erheben Ezidinnen und Eziden mit US-Bürgerschaft Klage gegen den Zementhersteller. Die religiöse Minderheit wurde 2014 durch den IS aus ihrem Heimatgebiet Şengal (Sindschar) im Nordwesten des Iraks mit Gewalt vertrieben und ausgebeutet. Zahlreiche Länder, darunter auch Deutschland, haben die Verbrechen der Dschihadistenmiliz als Völkermord anerkannt.
Es wird davon ausgegangen, dass die Ezid:innen seit dem zwölften Jahrhundert Opfer von mindestens 73 Verfolgungswellen wurden. Zuletzt am 3. August 2014, als der selbsternannte IS in der dezidierten Absicht in Şengal einfiel, die ezidische Kultur auszulöschen. Zehntausenden Ezidinnen und Eziden blieb nur die Flucht ins Gebirge. Doch nicht allen gelang sie rechtzeitig. Die Dschihadisten verübten Massenmorde an Männern, verschleppten Frauen und Kinder, um sie zu vergewaltigen, zu versklaven oder zu Kindersoldaten zu rekrutieren. Schätzungen nach fielen über 10.000 Menschen diesen Massakern zum Opfer. Mehr als 400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt, bis heute werden etwa 2.700 von ihnen vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.
„Vor, während und nach der Zeit, in der der IS diese brutalen Angriffe auf die Eziden verübte, bezahlten die Angeklagten und verschworen sich mit dem IS“, heißt es in der Reuters vorliegenden Klage gegen Lafarge. Zu den Klagenden gehört auch die ezidische Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad, die selber Opfer von Ausbeutungen durch den IS geworden war. Vertreten wird die Klägergemeinschaft durch die britisch-libanesische Menschenrechtsanwältin Amal Clooney und den ehemaligen US-Diplomaten Lee Wolosky.
Ein Lafarge-Sprecher bestätigte die Einreichung der Klage gegenüber der Schweizer Nachrichtenagentur AWP. Bei der Angelegenheit handele es sich um eine Altlast. Bereits im Juli dieses Jahres reichten Familien von durch den IS getöteten amerikanischen Soldaten eine ähnliche Klage gegen Lafarge ein.
Auch Prozess in Frankreich
Im Zusammenhang mit den Terrorfinanzierungen in Nordsyrien läuft zudem ein Prozess in Paris. Das höchste französische Gericht hat im November eine Anhörung in diesem laufenden Verfahren abgehalten, eine Entscheidung aber erst für den 16. Januar 2024 in Aussicht gestellt.