Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, und der syrische Interimspräsident Ahmed al-Scharaa haben am Montag ein Abkommen mit acht Artikeln unterzeichnet. Salih Muslim hat sich Sprecher der PYD für auswärtige Beziehungen gegenüber ANF zu dem Abkommen und den von Abdullah Öcalan vorgelegten Perspektiven für Rojava und die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien geäußert und die einzelnen Bestimmungen erläutert.
Gestern wurde ein Abkommen zwischen Mazlum Abdi, Generalkommandant der QSD, und dem syrischen Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa unterzeichnet. Was ist Ihr erster Kommentar zu diesem Abkommen?
Diese Vereinbarung wurde vor einigen Tagen auf einer gemeinsamen Sitzung der Autonomieverwaltung und der QSD getroffen. Es wurde vereinbart, dass Ausschüsse gebildet werden und dass es ein Abkommen mit sieben bis acht Artikeln geben wird. Es werden Ausschüsse gebildet, und die Einzelheiten werden zwischen diesen Ausschüssen besprochen.
Wir werden über jeden einzelnen Artikel sprechen, aber wie interpretieren Sie den allgemeinen Rahmen? Können wir sagen, dass die Revolution in Rojava mit diesem Abkommen konsolidiert wurde? Kann man sagen, dass Rojava an Status gewonnen hat, zumindest im regionalen Sinne?
Ja, wir können sagen, dass sie gefestigt wurde. Nachdem wir so viel gekämpft und gerungen haben, sind wir jetzt Partner in allem; das können wir sagen. Wir sind Partner in allem, was diesen Staat betrifft. Wir sind Partner in seiner Verwaltung, seiner Verfassung, seinem Leben, seiner Wirtschaft, in allem.
Beginnen wir mit dem ersten Artikel: „Gewährleistung des Rechts aller Syrerinnen und Syrer auf Vertretung und Beteiligung am politischen Prozess und an allen staatlichen Institutionen auf der Grundlage von Kompetenzt und Verantwortung, unabhängig von ihrer religiösen und ethnischen Herkunft“. Dabei handelt es sich um ein Projekt, das auf die Koexistenz aller gesellschaftlichen Gruppen abzielt und in Rojava umgesetzt wurde. Wird dieses Projekt in ganz Syrien umgesetzt oder wurde es nur für Rojava diskutiert?
Nein, es wird nicht nur für die Autonomieverwaltung, sondern für ganz Syrien umgesetzt werden. Die Details werden noch besprochen, aber es geht um ganz Syrien.
Der zweite Artikel ist wichtig: „Die kurdische Gemeinschaft ist eine autochthone Gemeinschaft des syrischen Staates und der syrische Staat garantiert ihre Staatsbürgerschaft und alle verfassungsmäßigen Rechte“. In Syrien hatten die Kurdinnen und Kurden keine Identität, sie galten nicht einmal als Staatsbürger. Wie ist dieser Artikel zu bewerten?
Das Programm des baathistischen Regimes, Menschen die Identität abzusprechen, ist vorbei. Es gab auch einige alte Gesetze, sie werden korrigiert. Mit anderen Worten: Die Kurdinnen und Kurden werden gleiche Bürgerrechte erhalten.
Ein weiterer Artikel ist die Einführung eines Waffenstillstands im gesamten syrischen Gebiet. Die Angriffe auf Rojava gehen jedoch weiter. Es gibt Angriffe des türkischen Staates und mit ihm verbundener Banden. Wird eine gemeinsame Haltung gegen diese Angriffe eingenommen?
Diese Konflikte und das Vorgehen der Banden werden illegal sein. Wir werden uns gemeinsam gegen diese Angriffe wehren. Niemand kann sagen, dass diese eine Kraft des Staates sind. Denn sie sind Banden und illegal. Wenn die Banden ihre Angriffe fortsetzen, müssen wir gemeinsam kämpfen.
Ein weiterer Artikel lautet: „Integration aller zivilen und militärischen Einrichtungen in Nord- und Ostsyrien in die Verwaltung des syrischen Staates, einschließlich der Grenztore, Flughäfen, Öl- und Gasfelder“. Was können Sie zu diesem Artikel sagen?
Wir werden die Grenzübergänge, wie etwa Nisêbîn und Til Koçer, gemeinsam verwalten. Wir werden gemeinsam über die Verteilung und Verwaltung der Einnahmen aus diesen Orten entscheiden. Dies wird also von Gesetzen und Vereinbarungen abhängen. Die Einzelheiten dazu werden in den Vereinbarungen festgelegt.
Ein weiterer Artikel soll sicherstellen, dass alle vertriebenen Syrerinnen und Syrer in ihre Städte und Dörfer zurückkehren und dass sie vom syrischen Staat geschützt werden. Als erstes fallen mir Efrîn, Girê Spî und Serêkaniyê ein. Wie sieht der Plan für diese Regionen aus? Was verstehen wir unter diesem Abkommen?
Alle werden an ihre Orte zurückkehren dürfen. Die Häuser vieler Menschen wurden beschlagnahmt und von Außenstehenden besiedelt. Diese Menschen werden in ihre alten Häuser zurückkehren. In gewissem Sinne bedeutet dies die Befreiung dieser Gebiete von der türkischen Besatzung.
Und was bedeutet es, „den Kampf des syrischen Staates gegen die Überreste des Assad-Regimes und jede Bedrohung seiner Sicherheit und Einheit zu unterstützen“?
Wir werden zusammen sein. Die Überreste des Baath-Regimes werden keinen Platz finden. Das heißt, sie werden unsere Gebiete nicht nutzen, um gegen das neue Regime zu kämpfen.
Der siebte Artikel beinhaltet die Ablehnung von Aufrufen zur Spaltung aller Teile der syrischen Gesellschaft, von Hassreden und Versuchen, Zwietracht zu säen. In diesem Sinne hat der türkische Staat über die HTS auf Monismus gedrängt. Kann man sagen, dass dieser Druck mit diesem Abkommen zunichte gemacht wurde?
Die Bürgerinnen und Bürger Syriens werden unabhängig von ihrer Religion oder Ethnie als gleichberechtigt angesehen. Zum Beispiel wird niemand mehr sagen können, dass er die ezidische Gemeinschaft nicht akzeptiert, oder sie zwingen, zum Islam zu konvertieren. Mit einer großen demokratischen Verwaltung können alle so leben, wie sie möchten. In diesem Sinne ist es eine große Errungenschaft. Es ist ein großer Gewinn für Aleviten, Drusen, Eziden und Christen.
Werden also die Exekutivausschüsse daran arbeiten und dafür sorgen, dass dieses Abkommen bis Ende des Jahres umgesetzt wird? Bezieht sich das auch auf die Ausarbeitung der Verfassung? Oder werden hier nur die praktischen Handlungen realisiert? Wird die Verfassung längerfristig vorbereitet werden?
Für jeden dieser acht Artikel wird ein Ausschuss gebildet. Für die bewaffneten Kräfte wird es einen Ausschuss geben. Dieser wird darüber diskutieren, wie sich die Streitkräfte beteiligen werden. Es wird eine Einigung erzielt, und dann wird darüber diskutiert, wie die Verwaltung aussehen soll. Diese Ausschüsse werden innerhalb eines Jahres eine Einigung erzielen. In diesem Zusammenhang kann es auch die Frage einer Verfassung geben, es kann eine Interimsverfassung geben. Über diese vorläufige Verfassung wird dann ein Referendum abgehalten werden.
Was bedeutet diese Einigung auf internationaler Ebene? Die internationale Unterstützung für die derzeitige Übergangsregierung ist bekannt. Wir sehen, dass insbesondere die westlichen Mächte eine wichtige Rolle beim Aufbau des neuen Syrien spielen.
Die internationalen Mächte waren Vermittler. Sowohl unsere Verwaltung als auch die syrische Regierung hatten Vermittler. Das bedeutet, dass diese Vermittler zugestimmt haben und alle ihren Beitrag dazu leisten werden. Wir sind also offiziell ein Partner dieses Staates.
Heißt das, dass die internationalen Mächte auch an diesem Text beteiligt sind oder dass sie auf einer Seite dieses Abkommens stehen?
In allem; wir sind Partner in den Angelegenheiten dieses Staates, sowohl innerhalb als auch außerhalb.
Ein weiteres Thema, das in diesem Zusammenhang viel diskutiert wurde, war der Brief von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] an Rojava. Was er in diesem Brief gesagt hat, ob er über Entwaffnung gesprochen hat oder nicht, wird viel diskutiert. Vor allem in AKP-Medien wurde behauptet, dass es einen Aufruf zur Entwaffnung an die QSD und die YPG/YPJ gab. Wurde mit dem Abkommen auf diese Propaganda reagiert?
Dieses Schreiben ging an die Verwaltung. Kurz gesagt, soweit ich weiß, zeigt dieses Schreiben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das heißt, wir wollen ein Teil Syriens sein, wir wollen zusammen sein, wir wollen Frieden schließen. Mit anderen Worten, wir sind nicht von dem abgewichen, was in diesem Brief gesagt wurde. Wir sind also nicht über die von Rêber Apo genannten Punkte hinausgegangen.
Haben Sie den Brief gelesen?
Der Inhalt des Briefes wurde mir übermittelt, ich habe gehört, was in dem Brief stand. Im Prinzip akzeptieren wir, Frieden zu schließen und Teil dieses Staates zu sein. Natürlich werden wir unseren Platz in diesem Staat unter der Bedingung einnehmen, dass wir unsere Rechte und Eigenheiten schützen. Das haben wir von Anfang an gesagt, wir sind also nicht außen vor. Sie haben von den parteiischen Medien gesprochen. Diese Medien werden die heutige Vereinbarung als „Kapitulation“ betrachten oder eine solche Propaganda betreiben. Die Realität sieht jedoch anders aus. Das Erreichen einer solchen Vereinbarung ist ein großer Gewinn für uns. Wenn so etwas auch in Bakurê Kurdistanê [Nordkurdistan] geschehen wäre, wäre das sehr gut.
Da Sie den Inhalt des Briefes von Rêber Apo kennen, frage ich noch einmal der Klarheit halber: Sagt er in seinem Brief an Rojava etwas über Entwaffnung oder den Verzicht auf Selbstverteidigung?
Nein, es gibt nichts dergleichen. Es gibt absolut nichts dergleichen.
Können wir also sagen, dass der Text des Abkommens mit der Perspektive übereinstimmt, die Rêber Apo für Rojava vorgesehen hat?
Wir sind ein Teil von Syrien. Wir wollen zusammen leben. Wir wollen unsere Einzigartigkeit bewahren. All das ist in diesem Abkommen enthalten.
Gibt es etwas, was Sie noch hinzufügen möchten?
Unser Volk sollte den parteiischen Medien keinen Glauben schenken. Wir haben nie gelogen, also bitten wir, uns zuzuhören. Ich danke Ihnen vielmals.