Statt Chemiewaffen wird der Protest sanktioniert

Seit Monaten fordern kurdische Organisationen eine unabhängige Untersuchung der türkischen Chemiewaffenangriffe. Sanktioniert wird jedoch nicht der Einsatz verbotener Kampfmittel, sondern der Protest dagegen.

In Europa wird nicht der Einsatz von chemischen Kampfstoffen durch die türkische Armee in Kurdistan sanktioniert, sondern der Protest dagegen. Am vergangenen Freitag haben Kurdinnen und Kurden erneut vor dem Sitz der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag protestiert. Die jungen Aktivist:innen waren dafür aus verschiedenen europäischen Ländern angereist und in das Gebäude vorgedrungen. Es kam zu Dutzenden Festnahmen durch die niederländische Polizei, die Anzahl der Festgenommenen ist inzwischen auf 44 korrigiert worden.

Vierzig der Festgenommenen wurden nach drei Tagen in Gewahrsam freigelassen. Die meisten sind keine niederländischen Staatsangehörigen und wurden der Ausländerpolizei übergeben. Sie dürfen die Niederlande künftig nicht mehr betreten und wurden ausgewiesen. Nach Angaben der Tageszeitung Yeni Özgür Politika wird einer der Betroffenen zwecks Ausweisung nach Frankreich am Flughafen von Rotterdam festgehalten, die bürokratische Prozedur kann bis zu zehn Tage dauern.

Für vier der Festgenommenen wurde der Polizeigewahrsam um zwei Wochen verlängert. Die Aktivist:innen werden von Rechtsanwalt Hüseyin Aktaş vertreten. Er erklärte gegenüber YÖP, dass „auf Erdogans Befehl“ mit den Festnahmen der Aktivist:innen der Jugendbewegung alle Menschen eingeschüchtert werden sollen, die gegen Chemiewaffen kämpfen.

Die Forderung der Aktion vom vergangenen Freitag war eine unabhängige Untersuchung der Chemiewaffeneinsätze durch die türkische Armee in Südkurdistan. Hüseyin Yildiz ist der Ko-Vorsitzende des kurdischen Verbands DEM-NED in den Niederlanden und weist darauf hin, dass der türkische Staat innerhalb von sieben Monaten über 300 Angriffe mit chemischen Kampfmitteln durchgeführt hat: „Kurdinnen und Kurden, internationalistische Menschen und verschiedene Einrichtungen machen seit mindestens fünf Monaten darauf aufmerksam. Sie legen Informationsdossiers vor und führen demokratische Aktionen durch. Niemand reagiert darauf. Die Kräfte, die den vom türkischen Staat praktizierten Völkermord an den Kurden unterstützen, schweigen auch zu den eingesetzten Chemiewaffen.“ Dem kurdischen Volk bleibe daher kein anderer Weg als der Widerstand.