Im Oktober wurde Bekir Kaya, inhaftierter Ko-Bürgermeister der nordkurdischen Großstadt Wan, zu einer Haftstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Wenige Wochen zuvor war der Politiker im sogenannten KCK-Verfahren bereits zu einer ähnlich hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das nach der Ernennung eines türkischen Zwangsverwalters für die Stadtverwaltung eingeleitete Verfahren endete erst nach zwei Jahren, Bekir Kaya sitzt bereits seit November 2016 in Haft. Der Staatsanwalt hält die gegen ihn verhängte Haftstrafe für unzureichend und hat nun Berufung eingelegt. Begründet wurde die Revision mit einem Freispruch Kayas, der von der Staatsanwaltschaft angezweifelt wird. Diese hatte Kaya zum Vorwurf gemacht, mit seiner Teilnahme an einer Demonstration gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben. Dieser Tatvorwurf war im Verfahren gerichtsverwertbar nicht nachzuweisen.
Kaya, selbst Jurist, hatte es bei der Verhandlung im Oktober abgelehnt, sich zu verteidigen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien eine Verteidigung nicht wert, eine Rechtfertigung seinerseits stelle eine Beleidung des Rechtswesens dar, hatte er gesagt. Seine Verhaftung sei fern von juristischer Legitimität und politisch motiviert, es ginge um die Zerschlagung einer politischen Bewegung.
„Wir sind mit einer gesellschaftlichen Frage konfrontiert. Es gibt kein kurdisches Problem; hier geht es um das Problem der Aneignung von Ansprüchen der kurdischen Bevölkerung”, so Kaya damals. Es sei ein ganzes Volk, über das in seiner Person ein Urteil gefällt werden soll. Es sei völlig unwichtig, ob ihm eine Strafe auferlegt werde oder nicht. „Ich weiß sehr wohl, dass sich die aus meiner Inhaftierung resultierenden Nachteile letztendlich zu einem gesellschaftlichen Vorteil entwickeln werden. Aus diesem Grund ist es unbedeutend, wie das Gericht entscheidet. Davon bin ich überzeugt“, sagte Kaya.