Sieg im „Bijî Serok Apo!“-Verfahren in Lüneburg

Das Bußgeldverfahren gegen den Lüneburger Antifaschisten Olaf Meyer wegen der Parole „Bijî Serok Apo“ endete vor dem Amtsgericht mit einer Einstellung.

Mit einer Einstellung endete vor dem Amtsgericht Lüneburg am Donnerstag das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Antifaschisten Olaf Meyer. Hintergrund des Prozesses war eine sogenannte Bußgeldsache wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Meyer soll als Anmelder und Versammlungsleiter der Demonstration „Antifa Enternasyonal! Gemeinsam gegen Faschismus und Krieg!“, die am 9. September 2020 im Rahmen des „Langen Marsches“ der kurdischen und internationalistischen Jugend in Lüneburg stattfand, gegen den Auflagenbescheid für die Veranstaltung verstoßen haben, nach dem das Rufen der Parole „Bijî Serok Apo!“ (dt. Es lebe der Vorsitzende Apo, gemeint ist Abdullah Öcalan) untersagt war. Im Vorwurf der Hansestadt Lüneburg heißt es dazu: „[…] indem Sie in Ihrer Rede die Parole „Biji Serok Apo“ deutlich über Mikrofon aussprachen. Dies konnte durch die eingesetzten Beamten vernommen werden. Nachdem Sie durch einen Beamten aufgefordert wurden, dies zu unterlassen, wiesen Sie in ihrer Rede darauf hin, dass der Ausruf „Biji Serok Apo“ zu unterlassen sei. Diesen Aufruf riefen Sie so provokativ und lautstark aus, dass hier ein weiterer Verstoß festzustellen war, da die Demonstrationsteilnehmer dies mit starkem Beifall quittierten.“ Gegen den Bußgeldbescheid der Hansestadt Lüneburg wurde Einspruch eingelegt, sodass eine Verhandlung vor dem Amtsgericht nötig wurde.

Verhandlung oder Provinzposse?

Die Verhandlung glich einer Provinzposse über die durchaus gelacht werden könnte, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre. Von den vier als Zeug:innen geladenen Polizeibeamt:innen erschienen schließlich nur drei. Die Beamtin der Staatsschutzabteilung hatte sich krank entschuldigen lassen, ihre drei Kollegen – einer von der örtlichen Staatsschutzabteilung, zwei von der Lüneburger Hundertschaft der Bereitschaftspolizei – erzählten dann völlig unterschiedliche Geschichten. Schnell wurde klar, dass an den Vorwürfen nichts dran war. Einig waren sie sich nur darin, auf alle Fälle gehört zu haben, dass Meyer in seinem Redebeitrag „Bijî Serok Apo“ gesagt hätte. Zu den weiteren Inhalten der Rede konnten die Beamten nichts sagen, entweder weil sie sich nicht genau erinnerten oder ohnehin nicht bis zum Ende zugehört hatten. Zwei Beamte erwähnten noch, sich über die Sache mit der Parole mit der Einsatzleitung ausgetauscht und „Blickkontakt“ mit den Kolleg:innen vom Staatsschutz gehabt zu haben. Abstrus wurde es dann, als sich zwei der Zeugen nicht einig darüber werden konnten, an welchem Datum das Ganze eigentlich stattgefunden haben soll. Dann widersprachen sich die Beamten noch darin, ob „Bijî Serok Apo“ seitens Meyer am Ende oder während des Beitrags geäußert wurde und ob es danach eine polizeiliche Intervention gab.

Unbedingter Verfolgungswille bei Polizei und Stadt

Offenkundig wurde in jedem Fall, dass das gesamte Verfahren auf einem unbedingten Verfolgungswillen der Polizei und dem Rechtsamt der Hansestadt Lüneburg beruht. „Mit konstruierten Vorwürfen wird hier gegen Olaf vorgegangen und dies schon seit Jahren. Dabei wird auch vor dreisten Lügen nicht zurückgeschreckt. Offensichtlich soll hier ein aktiver Antifaschist mit unzähligen Verfahren überzogen werden, um ihn mundtot zu machen. In ihrem Verfolgungswahn hören Lüneburger Polizeibeamte nun schon Redebeiträge, die nie gehalten wurden. Hauptsache am Ende des Tages steht ein Verfahren gegen Olaf. Bereitwillige Unterstützung erhält die Polizei durch die Hansestadt Lüneburg, die in Form ihres Rechtsamtes die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für missliebige Personen aushebeln will“, kritisierte die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen.

Die Verhandlung am Amtsgericht Lüneburg und die Einstellung des Verfahrens bedeuteten eine „schallende Ohrfeige“ für die Verfolgungsbehörden. „Nichts blieb von ihren Vorwürfen übrig und ihr Konstrukt ist in sich zusammengebrochen“, so die Antifa-Gruppe. Für Olay Meyer und die gesamte Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen, aber auch die internationalistische Bewegung Lüneburgs verschafft die Einstellung des Verfahrens eine Entlastung und wieder mehr Zeit für die wesentlichen Aufgaben ihrer Arbeit.

Als erste Reaktion nach der Verhandlung bedankte sich Olaf Meyer bei allen Menschen, die sich solidarisch gezeigt haben. Nicht nur durch das Bereitstellen von finanziellen Mitteln, sondern auch durch die moralische Unterstützung in der letzten Zeit: „Hier herrscht ein Öcalan-Verbot wie auch in der Türkei. Uns wird hier das Zeigen seines Gesichts, das Nennen seines Namens und die Auseinandersetzung mit seinen Ideen untersagt. Dagegen müssen wir uns wehren.“

Meyer: Wir machen weiter und ich grüße Rêber Apo

Weiter erklärte Meyer: „Wir sind solidarisch mit Rêber Apo. Er und die kurdische Bewegung haben dem feudalen und ausbeuterischen Herrschaftssystem den Kampf angesagt. Seine Ideen des Demokratischen Konföderalismus, dessen Grundpfeiler die Basisdemokratie, die Frauenbefreiung und ein ökologisches Bewusstsein sind, besitzen heute internationalen Charakter. Abdullah Öcalan bietet eine Gesellschaftsalternative zu den bestehenden reaktionären, antidemokratischen Mentalitäten und Herrschaftsformen an. Trotz der unmenschlichen Haftbedingungen auf Imrali versucht er den kriegerischen Auseinandersetzungen im Mittleren Osten entgegenzuwirken, indem er Vorschläge zur Lösung der kurdischen Frage entwickelt. Mit dem Paradigmenwechsel schuf er Grundlagen, um Nationalismus, Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg den Raum zu entziehen. Seine Lösungsperspektive einer demokratischen Modernen mit gleichberechtigten und freien Menschen, wird nicht nur in Rojava schon vorgelebt, sondern strahlt auch aus und hat auch Bedeutung für uns hier. Aktuell setzt der türkische Staat die Isolation und das Foltersystem gegen Rêber Apo verstärkt fort. Die Freiheit von ihm geht uns alle an, denn seine Freiheit bedeutet auch Demokratie und Freiheit für uns alle. Wie schon beim Langen Marsch im letzten Jahr, müssen wir auch heute für sein Leben kämpfen und uns dabei auch nicht von anhaltender Repression abhalten lassen. Wir machen weiter und ich grüße Rêber Apo!“