Der Sozialist Müslüm Koyun ist verhaftet worden. Ein Gericht in der zentralanatolischen Provinz Eskişehir begründete den Haftbefehl am Freitag damit, dass der Aktivist im Verdacht stünde, Propaganda für eine „Terrororganisation“ in den sozialen Medien betrieben zu haben. Koyun befand sich seit Freitag in Gewahrsam der türkischen Antiterrorpolizei, nachdem es zuvor eine überfallartige Razzia in seiner Wohnung gegeben hatte. Inzwischen wurde er in ein Hochsicherheitsgefängnis in Eskişehir überstellt. Ob und wann mit einer Anklage zu rechnen ist, ist derzeit noch unklar.
Müslüm Koyun ist Mitglied des zentralen Exekutivrats der Föderation sozialistischer Jugendvereine (SGDF), dem Jugendverband der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP). Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im vergangenen Mai kandidierte er in Eskişehir für die Grüne Linkspartei (YSP), der Einzug ins Parlament gelang ihm jedoch nicht. Laut Berichten regierungsnaher Medien soll seine Verhaftung im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren wegen des bewaffneten Angriffs auf einen Polizeiposten am Eingang zum Istanbuler Justizpalast in Çağlayan am letzten Dienstag stehen. Ein öffentlich einsehbarer Eintrag auf seinen Profilen in verschiedenen Online-Netzwerken ließ sich allerdings nicht finden.
Die Praxis der Polizei, mit Zwang und Gewalt den Kopf von Verhafteten zu beugen, gilt als beliebtes Instrument zur Erniedrigung der demokratischen Opposition.
In Gewahrsam misshandelt
Wie die SDGF mitteilte, wurde Koyun sowohl bei der Durchsuchung seiner Wohnung als auch in Gewahrsam von Beamten der Antiterrorpolizei und der Spezialeinheit PÖH misshandelt und verletzt. Während der Razzia sei ihm mehrmals mit einem Gewehrkolben auf den Kopf geschlagen worden, zudem habe man Koyun am Boden getreten. „Anschließend wurde Müslüm in das staatliche Yunus-Emre-Krankenhaus gebracht, wo die Misshandlungen sich fortsetzten“, erklärte die SDGF. Weil er sich gegen die Gewalt zur Wehr gesetzt habe, sei er von mehreren Polizisten am Boden fixiert und mit dem Kopf gegen den Boden geschlagen worden. Dadurch wurde Koyun offenbar bewusstlos. Angaben zu seiner derzeitigen gesundheitlichen Verfassung konnte die SDGF bisher nicht machen.
Im Fadenkreuz der Repression
Müslüm Koyun befindet sich im Dauervisier der türkischen Repressionsbehörden. Vor seiner letzten Verhaftung war er bereits zweimal in Untersuchungshaft. Das letzte Mal wurde er im vergangenen Sommer inhaftiert – ebenfalls unter Vorwürfen mit angeblichem Terrorismusbezug. Erst im Januar kam er nach mehr als acht Monaten hinter türkischen Gittern wieder frei.