Seebrücke in Nürnberg: „Grenzen auf! Leben retten!“

In Nürnberg sind Hunderte Menschen auf die Straße gegangen, um eine sofortige Öffnung der EU-Außengrenzen zu fordern. Die Demonstrant*innen wiesen auf den Zusammenhang der türkischen Kriegspolitik und der Eskalation an der griechischen Grenze hin.

Wie in vielen anderen Städten rief auch die „Seebrücke Nürnberg“ auf, für eine sofortige Öffnung der europäischen Grenzen auf die Straße zu gehen. Dem folgten etwa 600 Menschen und erklärten sich solidarisch mit Parolen wie „Say it loud, say it clear - refugees are welcome here!“

In verschiedenen Reden ging es um den Zusammenhang der türkischen Kriegspolitik und der Eskalation an der griechischen Grenze: Nach der sich abzeichnenden Niederlage der türkischen Besatzungstruppen in Idlib sucht Präsident Erdoğan politische und finanzielle Unterstützung bei der EU und den NATO-Partnern für seine Annexionspläne in Syrien. Als perfides Druckmittel missbraucht die Regierung in Ankara Schutzsuchende aus Syrien, Irak oder Afghanistan, die schon seit längerer Zeit Ziel rassistischer Propaganda und Pogrome in der Türkei sind. Seit Ende Februar lässt die türkische Regierung Schutzsuchende an die griechische Grenze transportieren und verbreitet gezielt Lügen von angeblich „offenen Grenzen“ nach Europa.

Aktuell spitzt sich die Lage an der griechisch-türkischen Grenze und den Hotspots auf den ostägäischen Inseln dramatisch zu, so eine Sprecherin der ‚Seebrücke‘. Geflüchtete erfahren massive Gewalt von Grenzpolizei und Frontex. Auf Lesbos versuchen Faschisten und rassistische Schlägertrupps Boote mit Geflüchteten am Landen zu hindern. Es wird von ersten Toten und Verletzten durch Schüsse griechischer Sicherheitskräfte berichtet.

Die Europäische Union reagiert wie nicht anderes zu erwarten mit der Ankündigung einer Verschärfung der Flüchtlingsabwehr: In Griechenland wurden das Grundrecht auf Asyl sowie die Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt – ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht, stellte ein Anwalt in seinem Redebeitrag fest. Die deutsche EU-Ratsvorsitzende Ursula von der Leyen segnet illegale Pushbacks als „Schutzschild der EU" ab und verspricht zusätzliche 700 Millionen Euro für Abschottung. Weitere Zahlungen an den türkischen Staat als Hauptverursacher der Krise werden angekündigt. Hinzu kommt die politische Deutung der Situation in Idlib, indem als Zeichen der Akzeptanz türkischer Expansionspolitik in Syrien Sanktionen gegenüber Russland erwogen werden.

Die Initiative Seebrücke positioniert sich gegen diese „Krise der Humanität“ und fordert die sofortige Öffnung der europäischen Grenzen, die Evakuierung der Schutzsuchenden von den griechischen Inseln und ein Abrüsten des europäischen Grenzregimes. „Europa ist durch den EU-Türkei-Deal und dem Abschluss menschenverachtender Grenzverträge Mitverursacher dieser humanitären Katastrophe. Das Handeln an den europäischen Außengrenzen ist die Konsequenz der europäischen Abschottungsagenda und eine Folge der rassistischen Mobilisierung der letzten Jahre.“

Der Demonstrationszug legte einen Zwischenstopp am Büro der CSU ein, die die Anti-Migrationspolitik weiter anstachelt und sich für eine weitere Aufrüstung des europäischen Grenzregimes ausspricht. Thomas Kreuzer, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, betonte: „Wir müssen den illegalen Grenzübertritt an den EU-Außengrenzen unbedingt verhindern. Wir können nicht alle aufnehmen. 2015 darf sich nicht wiederholen.“

Dem entgegnete ein Redner: „138 Städte allein in Deutschland wollen Geflüchtete aufnehmen, Aufnahmeeinrichtungen stehen leer. Wir können und wollen diese Menschen willkommen heißen und sie aufnehmen. Wir geben den Menschen eine Zukunft und lassen uns nicht von den faschistischen Salvinis, Orbans und Erdogans dieser Welt erpressen! Wir haben Platz und wir fordern: Leben retten – Grenzen auf!“

Als Beispiel, wie auf Fluchtbewegungen humanitär reagiert werden kann, wurde auf das Angebot der Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien und der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) verwiesen, die den Geflüchteten aus Idlib Schutz anbietet und sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten versorgen will. Statt die Invasions- und Erpressungspolitik der türkischen Regierung zu unterstützen, müsse endlich die demokratische Selbstverwaltung anerkannt und in Gespräche über eine Lösung einbezogen werden.