Die EU setzt angesichts der Öffnung der türkischen Seite der griechischen EU-Außengrenze für Schutzsuchende auf brutale Härte. Kommissionspräsidentin von der Leyen griff den martialischen Ton des rechten griechischen Ministerpräsidenten Mitsotakis auf, der die Schutzsuchenden als „asymmetrische Bedrohung“ bezeichnete, indem sie deklamierte, die EU werde „ihre Stellungen halten“. Dabei geht es aber nicht um feindliche Soldaten, welche auf die EU zustürmen, sondern um Männer, Frauen und Kinder, die nichts weiter als ein Leben in Sicherheit suchen. Diese werden nun seit Tagen mit quasi militärischen Mitteln, Schüssen, Blendgranaten, Tränengas, Übergriffen auf See und Angriffen faschistischer Mobs auf den griechischen Inseln davon abgehalten, EU-Territorium zu erreichen. Hinzu kommt die Mobilisierung von Hubschraubern, Booten und Sicherheitskräften durch die EU-Abschottungsagentur Frontex. Kanzlerin Angela Merkel lobte sogar das eng mit dem Erdoğan-Regime verbandelte und daher praktisch nicht betroffene Bulgarien und das brutal gegen Schutzsuchende agierende Griechenland für deren bisherigen Schutz der EU-Außengrenzen. Damit setzt die EU ein deutliches Zeichen nicht nur gegen jegliche Humanität, sondern auch für die Fortsetzung des schmutzigen EU-Türkei-Deals um jeden noch so hohen Preis. Dass mit der systematischen, gewaltsamen Zurückweisung von Schutzsuchenden und der Verweigerung von Asylverfahren bei „irregulärer Einreise“, sprich bei allen Menschen, die in Griechenland ankommen, vollkommen gegen das Völkerrecht verstoßen wird, ist auf dem politischen Parkett nicht einmal eine Fußnote wert. Das Gegenteil wäre überraschend. Allerdings widerspricht diese Politik auch der reaktionärsten politischen Vernunft, da sie in der Konsequenz bedeutet, sich durch eigene Flüchtlingsfeindlichkeit vom Diktator Erdoğan abhängig zu machen.
Debatte um Schutzzone ist Unterstützung des türkischen Expansionismus
Kehrseite dieser Abschottungspolitik ist die Unterstützung des türkischen Expansionismus. So wird nicht nur eine einseitige Positionierung auf türkisch-dschihadistischer Seite in Syrien durch beispielsweise Sanktionen gegen Russland ins Spiel gebracht, seit gestern schwirrt immer wieder der Wunschtraum Erdoğans für eine „Schutzzone“ in Nordsyrien durch die Politik in Berlin. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer brachten erneut diesen Plan Erdoğans in die Diskussion. Bisher wurde noch nicht diskutiert, wer diese Zone kontrollieren soll.
Um Russland zum Einlenken in diese Politik zu zwingen, schlägt Kramp-Karrenbauer sogar Wirtschaftssanktionen gegen Russland vor: „Wir stehen in vielfältigen Beziehungen mit Russland wirtschaftlicher Art und wir haben in der Ukraine praktiziert mit Sanktionen, dass wir Russland nicht alles durchgehen lassen. Und das wäre die Frage, die sich aus meiner Sicht jetzt auch in Syrien stellt.“
Gleichzeitig erklärt Kramp-Karrenbauer, dass Russland wie die Türkei wichtiger Verhandlungspartner bei der Frage nach der Einrichtung einer humanitären Schutzzone für die Menschen, die vor den Kämpfen in Idlib fliehen, seien. Die Menschen in Nordsyrien, die immer wieder ihre Bereitschaft erklärt haben, unter ihrer Selbstverwaltung mit internationaler Unterstützung Schutzsuchende aufzunehmen, spielen in dieser Debatte mal wieder keine Rolle. Kramp-Karrenbauer sagt: „Wir müssen mit den Beteiligten vor Ort, das heißt mit Putin darüber sprechen, mit Erdoğan darüber sprechen. Das tut die Kanzlerin, das ist auch richtig so.“ Damit stellt sie die Pläne der Bundesregierung klar, eine von der Türkei und möglicherweise auch Russland vollständig kontrollierte Siedlungszone, in der die Schutzsuchenden wie von Erdoğan gewünscht angesiedelt werden. Auch eine abgeschwächte Variante mit einem UNO-Mandat stellt eine absolute Missachtung der Menschen in Nordsyrien dar. Es gibt eine sichere Zone, die heißt Nordsyrien und diese Zone wird von der Türkei bedroht.