Schmierentheater im Palast: Soylu bleibt im Amt

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu bleibt trotz seines erklärten Rücktritts weiter im Amt. Präsident Erdoğan habe das Gesuch nicht angenommen, der Minister werde „seine Aufgabe weiter ausführen“.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu bleibt doch im Amt. Präsident Recep Tayyip Erdoğan habe das Rücktrittsgesuch nicht angenommen, teilte das Präsidentenbüro am Sonntagabend mit.

Zuvor hatte der Minister wegen einer kurzfristig angekündigten Ausgangssperre angesichts der Corona-Pandemie und dem anschließenden Chaos seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er übernehme die volle Verantwortung für die am Freitag verhängte Ausgangssperre in 31 großen Städten und die Folgen, schrieb Soylu auf Twitter. Das Amt des Innenministers habe er mit Stolz ausgeübt, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan werde er immer treu bleiben.

Die von Soylu angeordnete Ausgangssperre war scharf kritisiert worden, da sie erst knapp zwei Stunden vor Beginn der Frist bekanntgegeben wurde. Auch die Details der Regelung waren zunächst unklar. Am Freitag kam es deshalb zu Panikkäufen und Menschenansammlungen in den betroffenen Städten, allen voran in der 16-Millionen-Metropole Istanbul. Kritiker warfen der Regierung vor, die Bevölkerung mit der Maßnahme einer erheblichen Ansteckungsgefahr ausgesetzt zu haben.

Kriegsminister

Stolz war Soylu eigenen Angaben nach auch, als er vor knapp zwei Jahren den Polizeieinsatz gegen die 700. Mahnwache der Istanbuler Samstagsmütter anordnete. Er warf den Hinterbliebenen von Verschwundenen die „Unterstützung von terroristischen Organisationen“ (gemeint war die PKK) vor und beschimpfte sie als „Drecksleute“. Gegen Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP), darunter die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan, sprach er bereits mehrfach Todesdrohungen aus. Seit seiner Ernennung zum Innenminister im August 2016 war er verantwortlich für unzählige Verhaftungswellen gegen die HDP sowie mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung, die für den Putschversuch vom Juli 2016 veranwortlich gemacht wird. Auch am Hebel des seit letztem Sommer gegen die kurdischen Rathäuser geführten Vernichtungsfeldzugs sitzt Soylu. Mittlerweile wurden auf seine Initiative hin 40 von 65 bei den Kommunalwahlen am 31. März 2019 gewonnenen Kommunen unter Zwangsverwaltung gestellt. Die ins Amt der rechtmäßigen Bürgermeister*innen gehievten Treuhänder machen derweil durch Raub und Korruption von sich reden.

Für viele Menschen, besonders für die Kurden, war der auf Wunsch Erdoğans aus der Partei von der früheren Ministerpräsidentin Tansu Çiller – die als Verantwortliche für die Pogromstimmung der 1990er Jahre gesehen wird und neben dem regulären auch den tiefen Staat anführte – importierte Süleyman Soylu vielmehr „Kriegsminister“. Seine Haltung gegenüber der kurdischen Bevölkerung brachte er erst vor wenigen Tagen wieder zum Ausdruck, als auf sein Betreiben hin die Leiche des Guerillakämpfers Agit Ipek per Postpaket an seine Familie in Amed geschickt wurde.