Ende Juli ist es in Ankara zu zeitgleichen Anschlägen auf vier alevitische Einrichtungen gekommen. Die Gemeindehäuser Ana Fatma und Şah-ı Merdan, der Gökçebel-Dorfverein und die turkmenisch-alevitische Bektaşi-Stiftung waren am 30. Juli attackiert worden. Ein Angriff auf eine alevitische Einrichtung im nordrhein-westfälischen Düren folgte am Dienstag. Sevgi Kişin Sazan von der alevitischen Vertretung innerhalb der Demokratischen Partei der Völker (HDP) weist im ANF-Gespräch darauf hin, diese Angriffe seien kein Zufall und stünden in einer Kontinuität von Hassverbrechen an der alevitischen Bevölkerung.
Sazan unterstreicht die Tatsache, dass die zeitgleichen Angriffe in Ankara zu Beginn des alevitischen Muharrem-Fastens erfolgten. Sie führt aus: „Uns war klar, dass man danach so tun würde, als seien diese Angriffe von einer psychisch labilen Person verübt worden. Als wir die Nachricht erhielten und zum Gemeindehaus AnaFatma, in dessen Vorstand ich mich befinde, gingen, fiel uns auf, dass es sich bei den Steinen, mit denen die Türen eingeschlagen wurden, um Marmor handelte und nicht um Steine, wie man sie in der Gegend findet. Sie waren extra dafür präpariert worden. Wir hatten eigentlich vorgehabt, am ersten Tag von Muharrem eine Versammlung abzuhalten, aber wir hatten sie abgesagt, weil unser Pir krank geworden war. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dieser Aktion um eine gezielte Provokation handelte, war also hoch. Bei den geworfenen Steinen handelte es sich nicht um kleine Steine, sondern um Steine, die jemanden ernsthaft verletzen könnten.“
Sazan erinnert an die Verfolgungsgeschichte der Alevit:innen: „Während der osmanischen Zeit wurden Aleviten durch das Schwert getötet, den sogenannten roten Tod. In der Zeit der Republik kam zum roten Tod der weiße Tod, also die Assimilation, hinzu. Unsere Selbstverteidigung ist es, zusammen zu sein. Wir stützen unsere Selbstverteidigung niemals auf Gewalt. Wir haben finanzielle Schwierigkeiten und versuchen, die Miete unseres Cem-Hauses zu teilen, aber die Tatsache, dass Menschen kommen und durch Beitritte ihre Solidarität nach dem Angriff zeigen, hält uns am Leben. Man sollte die alevitische Bevölkerung nicht unterschätzen. Wenn sie im Laufe der Geschichte so viele Verfolgungen überlebt und ihren Glauben nicht aufgegeben hat, ist das ein Zeichen für ihre Widerstandsfähigkeit.“