Sabri Ok: „Türkischer Staat ignoriert Öcalans Friedensaufruf“

Einen Monat nach dem Friedensaufruf Abdullah Öcalans bleiben konkrete Schritte des türkischen Staates hin zu einem Dialogprozess weiter aus. Sabri Ok (KCK) weist darauf hin, dass eine Entwaffnung der PKK nur unter der Leitung ihres Begründers denkbar sei.

Keine Entwaffnung ohne Öcalan

Sabri Ok, Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), hat im Interview mit dem kurdischen Sender Stêrk TV scharfe Kritik an der türkischen Regierung geübt. Ein Monat nach Abdullah Öcalans Friedensmanifest sei keinerlei Schritt seitens des Staates erfolgt. Ok fordert konkrete Maßnahmen und betont, dass eine Entwaffnung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nur unter Öcalans Leitung denkbar sei.

Staat tut so, als ob Friedensaufruf nie stattgefunden hat

Im Mittelpunkt der Aussagen Oks stand der „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“, den der PKK-Begründer Abdullah Öcalan am 27. Februar auf der Gefängnisinsel Imrali veröffentlicht hatte, auf der er sich seit 1999 in politischer Geiselhaft befindet. „Öcalan hat sich mit diesem Manifest nicht nur an das kurdische Volk, sondern an die gesamte türkische Gesellschaft, die internationale Gemeinschaft und insbesondere an den türkischen Staat gewandt“, betonte Ok. Die PKK habe daraufhin am 1. März einseitig einen Waffenstillstand ausgerufen und damit ihre Bereitschaft zur Deeskalation signalisiert. „Doch der türkische Staat tut so, als ob dieser Aufruf nie stattgefunden hätte“, kritisierte Ok.

Öcalans Rolle zentral für Kongress und Entwaffnung

Besonders deutlich wurde Ok in der Debatte um eine mögliche Entwaffnung der PKK. Immer wieder werde gefordert, die PKK solle ihren Kongress einberufen und die Waffen niederlegen. „Aber ohne Öcalan ist das unmöglich“, stellte Ok klar. Nur Öcalan könne einen solchen historischen Schritt anleiten. „Wer soll den Kongress einberufen, wer kann den Kämpfer:innen, die im Namen Öcalans einen Eid abgelegt haben, befehlen, die Waffen niederzulegen?“, fragte Ok rhetorisch. Eine Lösung sei nur unter der Voraussetzung von Öcalans physischer Freiheit möglich, so Ok weiter.

Keine Umsetzung politischer Zusagen

Zugleich warf Ok der Regierung vor, gemachte Zusagen nicht einzuhalten. Obwohl Gespräche mit verschiedenen Parteien über gesetzliche und politische Änderungen geführt worden seien, sei seither nichts geschehen. „Nicht einmal eine positive Stellungnahme wurde abgegeben“, kritisierte er. Stattdessen beschränke sich die Regierung darauf, weiterhin von der PKK die Entwaffnung zu fordern, ohne selbst Verantwortung zu übernehmen.

Internationale Unterstützung für Öcalans Aufruf

Der KCK-Vertreter betonte, dass Öcalans Friedensaufruf international positiv aufgenommen worden sei – unter anderem von den Vereinten Nationen, der EU, den USA, Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Daraus leitet Ok die Notwendigkeit ab, die Kampagne für Öcalans physische Freiheit auf ein neues Niveau zu heben. „Diese Bewegung muss ununterbrochen weitergeführt und besser organisiert werden“, so Ok.

Repression gegen Opposition: „CHP zeigt späte Einsicht“

Mit Blick auf die jüngsten Repressionen gegen die größte Oppositionspartei CHP – darunter die Verhaftung und Absetzung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu und die Einsetzung von Zwangsverwaltern in mehreren Kommunen – zeigte sich Ok einerseits kritisch, andererseits verständnisvoll. Die Haltung der CHP sei „spät, aber wichtig“. Die Partei erkenne nun am eigenen Leib, wie sich staatliche Repression anfühle, während sie lange zu den Angriffen auf kurdische Strukturen geschwiegen habe.

Gesellschaftlicher Widerstand wächst

Ok sieht dennoch ein wachsendes Potenzial für politischen Wandel. Die Gesellschaft stehe angesichts der zunehmenden staatlichen Unterdrückung kurz vor dem Ausbruch. „Die Menschen haben lange geschwiegen, doch jetzt sagen sie: Es reicht“, erklärte er. Insbesondere der Protest von Akademiker:innen und Studierenden sowie die aktive Rolle von Frauen und Jugendlichen zeige, dass sich ein breiter gesellschaftlicher Widerstand formiere.

Am Ende richtet Sabri Ok einen Appell an alle demokratischen Kräfte: „Wenn alle gemeinsam für die Demokratisierung der Türkei, für die Rechte des kurdischen Volkes und für die Freiheit Öcalans eintreten, kann Geschichte geschrieben und verändert werden.“