In der Türkei wird die Repressionsschraube gegen die kurdische Bevölkerung wieder erheblich angezogen. Rund vierzig Menschen wurden an nur einem einzigen Tag verhaftet, die Hälfte davon in der kurdischen Provinz Wan (tr. Van). Dort protestiert die Bevölkerung seit Samstag gegen die Absetzung des Ko-Oberbürgermeisters Abdullah Zeydan (DEM) und die Einsetzung eines Zwangsverwalters an seiner Stelle. Von weit mehr als hundert Menschen, die am ersten Tag der Proteste festgenommen wurden, befinden sich seit gestern 20 in Untersuchungshaft. Ihnen wird die Teilnahme an „illegalen Demonstrationen“ und damit ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Nach Angaben des Vereins freiheitlicher Juristen (ÖHD) handelt es sich hauptsächlich um Jugendliche, die verhaftet worden sind. Gegen die beiden Journalisten Bilal Babat und Behçet Bayhan verhängte das zuständige Gericht in Wan wegen desselben Vorwurfs juristische Meldeauflagen.
Anwalt in Amed verhaftet
In Amed (Diyarbakır) wurden vier Personen wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – verhaftet. Unter ihnen ist auch der Rechtsanwalt Volkan Bilece, der am Freitag in seiner Wohnung in der südtürkischen Stadt Mersin festgenommen und nach Amed gebracht worden war. Insgesamt ließ die Staatsanwaltschaft 22 Personen festgenommen, von denen neun angeklagt werden sollen. Ein weiterer Rechtsanwalt, Hebun Hakan Akkaya, wurde wie vier weitere Personen gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt.
Geflüchtete aus Nord- und Ostsyrien in Abschiebehaft
Bei einer gesonderten „Anti-Terror-Operation“ in Mersin waren am Freitag weitere 29 Menschen festgenommen worden. Wie der Ortsverband des ÖHD berichtet, wurden elf der Betroffenen wegen angeblicher PKK-Propaganda inhaftiert, gegen acht weitere verhängte ein Gericht polizeiliche Meldeauflagen. Bei den übrigen elf Personen handele es sich um Geflüchtete aus Gebieten in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien, die sich nun in Abschiebehaft befänden.
Umweltaktivist in Izmir verhaftet
In der westtürkischen Küstenmetropole Izmir war die Polizei vor vier Tagen ebenfalls gegen die Opposition vorgegangen. Zunächst war das Kunsthaus „Jîn Art“ von einem Kommando der Anti-Terror-Polizei gestürmt und verwüstet worden, anschließend fanden Wohnungsrazzien statt. Dabei waren fünf Personen festgenommen worden, darunter die Kulturaktivistin Gönül Yalçın, die Mitglied des Parteirats der DBP ist, der DEM-Aktivist Sabri Gül, der Umweltaktivist Koray Türkay, der sich in der Ökologiekommission der DEM engagiert, und Mehtap Alişan vom Frauenrat der DEM Izmir. Die Polizei hatte die Festnahmen damit begründet, dass sie sich „in In- und Ausland“ an „Veranstaltungen von Terrororganisationen“ beteiligt hätten.
Vor Gericht soll die Gruppe aber hauptsächlich zu Beiträgen in sozialen Medien befragt worden sein, hieß es aus ÖHD-Kreisen. Im Fall von Türkay sei es unter anderem um Postings im Zusammenhang mit den Angriffen der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Proxytruppe SNA gegen den Tişrîn-Damm in Nordsyrien gegangen. Zudem wurde dem Akademiker der Besitz von den Zeitschriften „Demokratik Modernite“ („Demokratische Moderne“), „Jineolojî“ und „Ekolojik Yaşam“ („Ökologisches Leben“) zur Last gelegt. Sowohl Türkay als auch Sabri Gül und Mehtap Alişan wurden als angebliche PKK-Mitglieder verhaftet.