Rote Hilfe: Corona darf kein Vorwand für völliges Demoverbot sein

„Es ist nicht erklärbar, warum zwei Personen mit einem Transparent eine größere Infektionsgefahr aufweisen sollen als ohne“, meint die Rote Hilfe zum vollständigen Verbot öffentlicher Meinungsbekundungen.

Mit dem Verweis auf die Landesverordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden in den vergangenen Tagen mehrere Demonstrationen und Proteste verboten oder von der Polizei zerschlagen. Die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe teilt zu dem Vorgehen mit: „Obwohl die Teilnehmenden die Abstandsregeln einhielten und darüber hinaus Schutzmaßnahmen wie Masken oder Größenbeschränkungen der Versammlungen einplanten, wird vielerorts jeder Protest unterbunden: In Berlin und Hamburg entschieden Verwaltungsgerichte in Eilentscheidungen gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, in Frankfurt wurde eine mit peniblem Abstand von zwei Metern durchgeführte Menschenkette von der Polizei gewaltsam zerschlagen und auch andernorts unterbinden Polizei, Ordnungsbehörden und Verwaltungsgerichte öffentliche Meinungsäußerungen. Sogar Einzelpersonen mit Schildern oder Protestplakate werden von der Polizei entfernt.“

Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V., ist erschüttert über die aktuell praktizierte Verbotspraxis: „Wir erleben, dass Grundrechte nicht nur eingeschränkt, sondern gänzlich abgeschafft werden. Es muss möglich sein, für Geflüchtete oder gegen Rechts auf die Straße zu gehen. Maßnahmen zum Gesundheitsschutz sind notwendig und wir sehen, wie Aktivist*innen ihre Protestformen daran anpassen. Es ist nicht erklärbar, warum zwei Personen mit einem Schild oder Transparent eine größere Infektionsgefahr aufweisen sollen als ohne.“

Mit heißer Nadel gestrickter Flickenteppich

„Die mit heißer Nadel gestrickten Landesverordnungen zum Infektionsschutz sind ein Flickenteppich und schießen mit einem gänzlichen Versammlungsverbot weit über das Ziel hinaus. Die Veranstalter*innen selbst beschränken ihre Versammlungen zum Schutz der Allgemeinheit und zum Schutz der Grundrechte wären Auflagen der Versammlungsbehörden in der aktuellen Situation ausreichend und verhältnismäßig. Wir werden erleben, dass viele der aktuellen Maßnahmen im Nachhinein wieder von den Verwaltungsgerichten als rechtswidrig erklärt werden. Leider ist das noch nicht Praxis in den Eilverfahren. Die Corona-Pandemie darf kein Vorwand für die Abschaffung von Grundrechten sein“, so Anja Sommerfeld.