Vor dem zweiten Wahlgang zur Präsidentschaftswahl in der Türkei hat die nationalistische Zafer-Partei dem Oppositionskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu ihre Unterstützung zugesichert. Die Partei werde sich bei der Stichwahl am Sonntag hinter den CHP-Vorsitzenden stellen, sagte der Parteichef Ümit Özdağ bei einer Pressekonferenz. Seine Partei war in der ersten Wahlrunde mit dem parteilosen Ultranationalisten Sinan Oğan als Kandidat eines Zusammenschlusses mehrerer Rechtsaußenparteien angetreten. Oğan hat am Dienstag seine Unterstützung für Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan erklärt, die „Ata-Allianz“ hinter ihm löste sich auf.
Kılıçdaroğlu, der in der ersten Runde hinter Erdoğan auf Platz zwei gelandet war, verschärfte zuletzt seine flüchtlingsfeindliche Rhetorik in dem Versuch, nationalistische Stimmen zu gewinnen. Die Zafer Partisi hatte bei der Wahl am 14. Mai 2,23 Prozent der Parlamentsstimmen bekommen und war damit die stimmenstärkste Partei der Ata-Allianz. Kılıçdaroğlu erhofft sich mit der Unterstützung durch Özdağ bessere Chancen bei der Stichwahl.
Einigkeit bei Ausweisung von Flüchtlingen
Den Ausschlag für die Unterstützung gaben mehrere Versprechen Kılıçdaroğlus an den Rechtsextremisten Özdağ. In einem gemeinsamen Protokoll einigte man sich unter anderem auf die Rücksendung „aller Flüchtlinge und Illegalen“ innerhalb eines Jahres, eine „entschiedene Bekämpfung von Terrororganisationen“ und die Fortsetzung des staatlichen Treuhandregimes in Kommunen, in denen gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unter „Terror“-Vorwürfen des Amtes enthoben wurden. Dabei geht es hauptsächlich um Rathäuser in kurdischen Städten, die nach den letzten beiden Kommunalwahlen in der Türkei unter Zwangsverwaltung gestellt worden waren.
YSP und HDP üben scharfe Kritik
Die Demokratische Partei der Völker (HDP) und die Grüne Linkspartei (YSP), unter deren Banner die HDP zur Türkei-Wahl angetreten ist, übten scharfe Kritik am Protokoll zwischen Opposition und der Özdağ-Partei. Alle ungelösten Probleme und Konflikte der Türkei beruhten auf staatlichen Maßnahmen und Methoden, die nicht mit den universellen Grundsätzen in Bezug auf Demokratie und Recht vereinbar seien, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Exekutivräte von HDP und YSP. „Zu diesen Praktiken gehört insbesondere die Politik der Zwangsverwaltung, die das Wahlrecht, den Willen des Volkes und die lokale Demokratie aushöhlt“, erklären die beiden Oppositionsparteien.
Haltung überdenken
Dass Kılıçdaroğlu die Existenz der Putsch-Politik beibehalten wolle, stelle einen Bruch mit demokratischen Grundwerten und Prinzipien dar, so die HDP und YSP. „Unsere Haltung und Kritik ist klar und unmissverständlich. Die Ernennung von Treuhändern, die sich über den Volkswillen hinwegsetzen, ist inakzeptabel.“ Im Übrigen betreffe die Zwangsverwaltung längst nicht mehr nur kurdische Kommunen, sondern sei eine Gefahr für das gesamte Land, heißt es weiter. Die Operation des türkischen Innenministeriums gegen die Stadtverwaltung von Istanbul etwa, an deren Ende die Zwangsverwaltung für die Bosporus-Metropole stehen könnte, ist noch immer nicht abgeschlossen.
Prinzipienlose Zugeständnisse
„Es ist unsere Pflicht, die universellen Grundsätze der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Grundfreiheiten und Menschenrechte zu schützen und keine prinzipienlosen Zugeständnisse in dieser Frage zu machen“, betonen die HDP und YSP. Bei einem Treffen zwischen Kılıçdaroğlu und der HDP-Spitze hatte der CHP-Chef noch versichert, bei einem Sieg über Erdoğan die sogenannte Treuhänderschaft abzuschaffen. Die demokratischen Oppostionsparteien wollen ihre Haltung zur Stichwahl nun überdenken und haben weitere Diskussionen angekündigt. Am Donnerstag soll die finale Entscheidung bekannt gegeben werden.