Prozesse gegen Osman Kavala zusammengelegt
Der inhaftierte Bürgerrechtler Osman Kavala steht künftig in der Türkei in einem Prozess wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 und den Gezi-Protesten 2013 vor Gericht.
Der inhaftierte Bürgerrechtler Osman Kavala steht künftig in der Türkei in einem Prozess wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 und den Gezi-Protesten 2013 vor Gericht.
Ein Gericht in Istanbul hat am Freitag die Zusammenlegung beider Verfahren gegen Osman Kavala beschlossen. Damit steht der seit knapp dreieinhalb Jahren inhaftierte Kulturförderer künftig in einem Prozess wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Putschversuch 2016 und den Gezi-Protesten 2013 vor Gericht. Die Entscheidung wurde vor allem von Politikerinnen und Politiker der Opposition scharf kritisiert. Ein Antrag vom Rechtsbeistand des Angeklagten auf Freilassung wurde erneut abgelehnt.
Der 63-jährige Bürgerrechtler und Kulturstifter Osman Kavala fördert zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte in der Türkei und ist auch Gründer der Stiftung Anadolu Kültür, die unter anderem mit dem Goethe-Institut und anderen deutschen Stiftungen zusammenarbeitet. Er sitzt seit November 2017 in Untersuchungshaft, ohne verurteilt worden zu sein.
Die Staatsanwaltschaft wirft Kavala in dem Putsch-Verfahren politische oder militärische Spionage und einen Umsturzversuch vor. Auch im Verfahren zu den regierungskritischen Gezi-Protesten geht es um den Vorwurf des Umsturzversuchs. Im Januar hatte ein regionales Berufungsgericht Istanbul entschieden, dass das Gezi-Verfahren neu aufgerollt werden soll und die Zusammenlegung beider Fälle empfohlen. Damit wurde der Freispruch von Kavala und acht weiteren Angeklagten in dem Prozess aus dem vergangenen Jahr aufgehoben. Bei den Betroffenen handelt es sich ebenfalls um führende Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft, darunter die frühere Vorsitzende der Architektenkammer, Ayşe Mücella Yapıcı.
Unternehmerin zu Kavala und Henri Barkey befragt
Bei der heutigen Verhandlung wurde die türkische Unternehmerin Leyla Alaton als Zeugin vernommen. Das Gericht wollte von der international bekannten Kunstsammlerin wissen, ob sie eine Beziehung zwischen Kavala und seinem Mitangeklagten, dem in den USA ansässigen Akademiker Henri Barkey, bezeugen könne. In der Anklageschrift wird Kavala und dem früheren Direktor des Nahost-Programms des Washingtoner Wilson Center vorgeworfen, bei dem vor gut viereinhalb Jahren gescheiterten Putsch zusammengearbeitet zu haben. Als Beweise führt die Anklage Mobiltelefonsignale an, die nahelegten, dass sich die Männer um den Putschversuch herum in der Türkei getroffen hätten. Alaton gab an, nicht zu wissen, ob Kavala und Barkey in irgendeiner Beziehung zueinander stünden. Sie habe beide weder zusammen gesehen noch von anderen davon gehört. Kavala war nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend, sondern wurde über eine Videoschaltung aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri eingebunden. Die Verhandlung wurde von zahlreichen Parlamentsabgeordneten und Vertreter*innen verschiedener Botschaften beobachtet.
Erdoğan diffamiert Ehefrau von Kavala
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nahm am Freitag in einer Rede Stellung zu Osman Kavala und nannte ihn einen „Vertreter” des US-Investors und Philantropen George Soros in der Türkei. Der Akademikerin Ayşe Buğra, die mit Kavala verheiratet ist, unterstellte der AKP-Chef, „unter den Provokateuren” der jüngsten Studierenden-Proteste in der Türkei zu sein. Die Angehörigen der Protestbewegung nannte Erdoğan erneunt „Terroristen“.
Verfahren wird im Mai fortgesetzt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte bereits im Dezember 2019 die Freilassung von Osman Kavala angeordnet, weil nicht genügend Beweise gegen ihn vorlägen. Frei kam er jedoch nicht, sondern blieb wegen des neuen Haftbefehls in Zusammenhang mit dem Putschversuch inhaftiert. Der nächste Prozesstermin, bei dem erstmals beide Verfahren als eines verhandelt werden sollen, ist für den 21. Mai geplant.