Vor dem OLG Hamburg beginnt am 3. November das Verfahren gegen den kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz (auch Ayas). Vorgeworfen wird ihm in Deutschland die Mitgliedschaft in der PKK, weshalb er nach § 129b Strafgesetzbuch (StGB) als Mitglied einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ angeklagt ist. Ayaz war im März 2023 am Flughafen Larnaka auf Zypern aufgrund eines europäischen Haftbefehls, den Deutschland beantragt hatte, festgenommen und Anfang Juni nach Deutschland ausgeliefert worden. Seitdem ist er unter verschärften Haftbedingungen im Hamburger UG Holstenglacis inhaftiert.
Auch die zypriotische Öffentlichkeit beobachtet das deutsche Strafverfahren gegen Kenan Ayaz intensiv. Seine Festnahme hatte in Zypern eine große Protestwelle ausgelöst. Abgeordnete fast aller im zypriotischen Parlament vertretenen Parteien hatten sich gegen seine Auslieferung ausgesprochen. Der Abgeordnete des zypriotischen Parlaments und stellvertretende Vorsitzende der Menschenrechtskommission, Giorgos Koukoumas, wird extra nach Hamburg reisen, um am Prozessauftakt teilzunehmen.
Kurz vor Prozessbeginn am Freitag erklären Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, Berlin, Rechtsanwalt Stephan Kuhn, Frankfurt am Main, und Advocate Efstathios C. Efstathiou, Nikosia, Zypern, zum Verfahren gegen ihren Mandanten Kenan Ayaz:
Kenan Ayas wurde in der Türkei im Jahr 1993 im Alter von 18 Jahren unrechtmäßig für elf Jahre inhaftiert und war unvorstellbarer Folter ausgesetzt. Nach seiner Entlassung wurde er erneut für sechs Monate inhaftiert und misshandelt, weil er Wahlkampfarbeit für einen kurdischen Kandidaten gemacht hatte. Selbst die türkische Justiz hielt dies am Ende nicht für strafbar, so dass er in dieser Sache freigesprochen wurde. Im Jahr 2010 wurde er dann aber wegen seiner Bildungsarbeit mit kurdischen Jugendlichen in einem großen Schauprozess angeklagt und wird deshalb bis heute vom türkischen Regime gesucht. Er konnte nach Zypern fliehen und wurde dort als politischer Flüchtling anerkannt.
Im März 2023 wurde Kenan Ayas auf Zypern aufgrund eines europäischen Haftbefehls, den Deutschland beantragt hatte, festgenommen. Die Festnahme löste eine große Protestwelle in Zypern aus – gilt die kurdische Bewegung dort doch als Verbündete gegen den Aggressor Türkei und im Kampf gegen den Terror des Islamischen Staates. Abgeordnete fast aller im zypriotischen Parlament vertretenen Parteien sprachen sich gegen die Auslieferung von Kenan Ayas nach Deutschland aus. Die Auslieferung erfolgte dennoch Anfang Juni 2023.
Vorgeworfen wird Kenan Ayas in Deutschland die Mitgliedschaft in der PKK, weshalb er nach § 129b Strafgesetzbuch (StGB) als Mitglied einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ angeklagt ist. Ihm wird keine Begehung einer Gewalttat unterstellt. Die Anklage beruht allein darauf, dass er im Auftrag der PKK in einem Zeitraum von nicht ganz zwei Jahren in Deutschland mit einer Vielzahl von Personen kommuniziert und sich mit diesen getroffen hätte, von denen einige von deutschen Strafverfolgungsbehörden ebenfalls als Angehörige der PKK eingestuft werden, und dass er außerdem legale Demonstrationen und Kundgebungen organisiert und sich an Spendensammlungen beteiligt hätte.
Das Verfahren gegen Kenan Ayas findet zehn Jahre, nachdem in Deutschland der erste Kurde vor dem Oberlandesgericht Hamburg wegen Mitgliedschaft in der PKK nach § 129b StGB verurteilt worden ist, statt und dreißig Jahre, nachdem die PKK in Deutschland verboten worden ist.
Auch an dem Fall von Kenan Ayas zeigt sich eindrücklich, dass diese langjährige Verfolgung von kurdischen Aktivist:innen nach § 129b StGB in Deutschland im Interesse der Türkei erfolgt. Die Türkei wirkt mit Nachdruck seit Jahrzehnten auf die strafrechtliche Verfolgung von vermeintlichen Anhängern der PKK, von kurdischen Institutionen und Vereinen in Europa hin. Dies zeigte sich aktuell besonders deutlich, als Erdoǧan Schweden durch das Zurückhalten seiner Zustimmung zum Nato-Beitritt faktisch genötigt hat, friedliche Aktivitäten von Kurdinnen und Kurden unter Strafe zu stellen. Wie auch in Deutschland werden deshalb seit Juni 2023 solche Aktivitäten auch in Schweden als Terrorismus verfolgt.
Die zypriotische Öffentlichkeit beobachtet deshalb das deutsche Strafverfahren gegen Kenan Ayas intensiv. Giorgos Koukoumas, Abgeordneter des zypriotischen Parlaments und stellvertretender Vorsitzender der Menschenrechtskommission, wird zum Prozessauftakt nach Hamburg kommen.
Information zum Verfahren:
Ort: Oberlandesgericht Hamburg, Sievekingplatz. 2, 20355 Hamburg, Saal 237
Zeit: 9.30 Uhr, der Einlass in den Saal erfolgt ab 9.00 Uhr
Verfahrensdaten: 03.11., 07.11., 13.11., 16.11., 23.11., 24.11., 27.11., 30.11., 05.12., 07.12.,11.12., 14.12., 19.12., 20.12. und 21.12.2023.
Die Daten und die Zeiten können sich kurzfristig ändern.
Solidaritätskundgebung vor Strafjustizgebäude
Zum Prozessbeginn am 3. November ruft das Solidaritätskomitee #FreeKenan zu einer Kundgebung vor dem Strafjustizgebäude, Sievekingplatz 3, um 8.30 Uhr auf. Das Komitee fordert dazu auf, den Prozess zu beobachten und zahlreich an den Verhandlungsterminen teilzunehmen, um Solidarität mit Kenan Ayaz zu zeigen.