Wien: Prozess wegen Asyl für mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrecher

In Österreich müssen sich fünf ehemalige Spitzenbeamte im Zusammenhang mit der Asylvergabe an einen mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrecher vor Gericht verantworten. Sie sollen den Ex-General auf Betreiben des israelischen Mossad ins Land gebracht haben.

Vor dem Landesgericht Wien müssen sich seit Freitag fünf ehemalige Spitzenbeamte im Zusammenhang mit der „widerrechtlichen“ Asylvergabe an einen mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrecher vor Gericht verantworten. Ihnen wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgeworfen, dem Ex-General der syrischen Staatssicherheit im Rahmen einer „Kooperationsvereinbarung“ mit einem ausländischen Geheimdienst in Österreich Asyl ermöglicht zu haben. Die Beamten hätten somit wissentlich ihr Amt missbraucht.

Ex-General mit Operation „White Milk“ ins Land geholt

Im Falle einer Verurteilung drohen den Angeklagten, die alle Vorwürfe zurückweisen, bis zu fünf Jahre Haft. Laut der Wiener WKStA haben die vier Ex-Mitarbeiter des mittlerweile aufgelösten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie ein damaliger hoher Vertreter des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl (BFA) den syrischen „Foltergeneral“ Chaled al-Halabi im Zuge der Operation „White Milk“ für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad in Österreich untergebracht und ihm trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen Asyl verschafft.

Chef der Staatssicherheit in Raqqa

Chaled al-Halabi war von 2009 bis 2013 Chef der Staatssicherheit in der nordsyrischen Provinz Raqqa und soll für Folter und andere Verbrechen an der Zivilbevölkerung mitverantwortlich sein. Die Ermittlungen gegen ihn sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen. Raqqa ist die frühere „Hauptstadt“ des von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) ausgerufenen Kalifats in Syrien und im Irak. Nach der Ankunft der Dschihadisten im Jahr 2013 floh al-Halabi nach Frankreich, wo er jedoch kein Asyl erhielt – woraufhin die österreichischen Geheimdienstler ihn mit Hilfe des Mossad nach Österreich schleusten.

CIJA deckt mutmaßliche Kriegsverbrechen auf - BVT ermittelt gegen CIJA

Im Jahr 2016 machte die „Internationale Kommission für Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit (CIJA) die österreichischen Behörden auf die mutmaßliche Beteiligung von al-Halabi an Kriegsverbrechen in Syrien aufmerksam. Die Menschenrechtsorganisation, die sich für die Strafverfolgung von Kriegsverbrechern in Syrien einsetzt, hatte herausgefunden, dass der Ex-Militär sich offenbar in Wien unter falscher Identität aufhielt. Später legte die NGO auch Zeugenaussagen vor, die den General mit Folterungen und Erschießungen in Zusammenhang bringen. Mindestens einer der Zeugen soll von den BVT-Beamten auch verhört worden sein – es handelte sich um einen Mann, der im selben Gefängnis in Raqqa gearbeitet hatte wie der General und diesen kannte. Besagter Zeuge habe in Österreich – im Unterschied zum General – aber kein Asyl bekommen, da man ob seiner Vergangenheit „höchste Bedenken“ gehabt habe.

BVT unterschlägt Informationen

In diesem Zusammenhang soll bei dem Prozess auch geklärt werden, ob die Republik Österreich in ihrem Recht auf strafrechtliche Verfolgung behindert und geschädigt wurde. Die Angeklagten sollen der Staatsanwaltschaft Wien wesentliche Informationen, etwa über den Zeugen, der den General belastete, vorenthalten beziehungsweise verspätet übermittelt und dann auch noch auf eigene Faust in Den Haag gegen die CIJA ermittelt haben. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt, insgesamt sind noch fünf Verhandlungstage geplant.

Staatsanwaltschaft Wien ermittelt auch wegen Vorgängen in Raqqa-Gefängnis

Die juristische Aufarbeitung von Mord und Folter im Auftrag des syrischen Diktators Baschar al-Assad beschäftigt Gerichte in mehreren europäischen Ländern. Auch in Deutschland sowie in Frankreich, Schweden, Norwegen und Spanien wurden in den vergangenen Jahren mutmaßliche Verbrechen in Syrien angezeigt. In Österreich verurteilte ein Gericht zuletzt im Jahr 2017 einen mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrecher. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien auch in Bezug auf die Vorgänge in dem Gefängnis in Raqqa, in dem Foltergeneral al-Halabi zuständig war.

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