Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz wird noch immer gegen den kurdischen Aktivisten Özgür A. verhandelt. Der 48-Jährige wird nach §§129a/b StGB beschuldigt, seit Mai 2018 bis zu seiner Festnahme im April 2022 in Bremen als „hauptamtlicher Kader“ der PKK in verschiedenen Gebieten Deutschlands verantwortlich tätig gewesen zu sein. In dieser Funktion habe er Treffen und Versammlungen organisiert, Spendenkampagnen überwacht sowie personelle und propagandistische Angelegenheiten koordiniert.
Bei den vergangenen drei Verhandlungsterminen am 20., 27. und 30. März ging es hauptsächlich um die Sichtung der von der Staatsanwaltschaft gegen Özgür A. vorgelegten Beweise. Deutlich wurde hier einerseits, wie engmaschig die Überwachung gegen politisch engagierte Kurd:innen von den deutschen Sicherheitsbehörden betrieben wird, und andererseits, wie beliebig und oberflächlich die gesammelten Informationen interpretiert werden.
Fotos von Begegnungen mit Menschen als Beweis für „terroristische Aktivitäten“
Zahlreiche Chatverläufe, in denen es um Veranstaltungen und Demonstrationen ging, wurden vorgelesen. Da die Staatsanwaltschaft die besagten Veranstaltungen und Demonstrationen als PKK-nah interpretiert, wurde daraus von der Anklage das Fazit gezogen, dass Özgür A. für die PKK als Kader im internationalen Raum untergeordnet, aber dafür im regionalen Raum in übergeordneter Position gehandelt habe. Auf dieser Grundlage wurde ihm die Leitung der „PKK-Sektion Nord“ zugeschrieben.
Die Auswertung eines weiteren Handys, das A. von der Anklage zugeordnet wird, was von ihm aber nicht bestätigt wurde, sollte ebenfalls als Beweis herhalten. Auf diesem Handy fanden sich jedoch keine Chatverläufe, sondern lediglich Fotos von Guerillakämpfer:innen und verschiedenen Demonstrationen. Solidarische Prozessbeobachtende zeigten sich verwundert, dass offensichtlich unpersönliche Fotografien der Staatsanwaltschaft als Beweis für „terroristische Aktivitäten“ ausreichen.
Auch zahlreiche Fotos aus Überwachungsmaßnahmen durch die Polizei, die kurdische Menschen, ihre PKW und ihre Kulturzentren in verschiedenen Städten zeigten, wurden als Beweise für die Tätigkeiten, die Özgür A. zur Last gelegt werden, zugelassen. Dabei ist auf keinem der Fotos eine tatsächlich als irgendwie strafbar zu bezeichnende Handlung zu erkennen. Es sind lediglich Menschen, die in Autos einsteigen, aus Autos austeigen oder zusammenstehen zu sehen.
Gericht lehnt alle Beweisanträge der Verteidigung ab
Die Verteidigung bekam vom Gericht keine Möglichkeit, eigene Beweise vorzubringen. Sämtliche während des Verfahrens von den Anwälten des Angeklagten gestellten Anträge auf Befragung von Zeug:innen, das Hinzuziehen von Sachverständigen und das Verlesen von Berichten wurden von der vorsitzenden Richterin mit der Begründung, dass es keine hinreichenden Gründe dafür gäbe und die Beweismittel keinen Rechtfertigungsgrund liefern würden, abgelehnt. Es gäbe auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer willkürlichen Verfolgungsmaßnahme gegen Özgür A.
Auch eine Hauptkommissarin, die von der Verteidigung in den Zeugenstand berufen worden war, wurde trotz Widerspruchs der Anwälte vom Gericht für nicht vernehmungsfähig erklärt, da sie aufgrund einer psychischen Erkrankung auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben sei.
Bei der gestrigen Verhandlung wurde die Beweisaufnahme vom Gericht dann für beendet erklärt. Und auch das Selbstleseverfahren wurde von allen Prozessbeteiligten als abgeschlossen bestätigt. Die Verteidigung von Özgür A. hat allerdings angekündigt, beim nächsten Termin erneut Beweisanträge zu stellen.
Der nächste Verhandlungstermin ist auf den 17. April terminiert. Die Urteilsverkündung wird für Ende April beziehungsweise Anfang Mai erwartet.