„Proteste gegen Repression müssen viel heftiger ausfallen"

Keskin Bayındır, Ko-Vorsitzender der HDP-Mitgliedspartei DBP, fordert angesichts der aktuellen Repressionswelle in der Türkei noch viel heftigere Proteste. Das sei Aufgabe aller, die eine „menschliche, gerechte und rechtsstaatliche Politik machen wollen“.

Der Ko-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Regionen (DBP), Keskin Bayındır, hat sich gegenüber ANF zu der aktuellen Repressionswelle gegen die HDP geäußert. Er sieht in der Repression die Reaktion „eines in die Ecke gedrängten Regimes“ und weist darauf hin, dass der Anlass der Massenverhaftungen, die sogenannten „Kobanê-Ermittlungen“, jeglicher Grundlage entbehren. Der kurdische Politiker erinnert daran, dass die HDP selbst mehrere parlamentarische Anfragen zu den Protestaktionen im Jahr 2014 gestellt hat und fährt fort: „Aber alle parlamentarischen Anfragen wurden von der AKP/MHP-Koalition abgewiesen. Das zeigt einmal mehr, dass die AKP verantwortlich für die Toten bei dem damaligen Kobanê-Aufstand ist. Das ist auch alles in den Akten im Parlament dokumentiert.“

Durch seine „politischen Vernichtungsoperationen“ versuche das Regime seine Verbrechen beim Kobanê-Aufstand zu verbergen, meint Bayındır: „Der Kobanê-Aufstand kommt seit einigen Jahren immer wieder auf die Tagesordnung. Die AKP/MHP-Regierung will die HDP über die Kobanê-Aktionen anzugreifen. Seitdem sind sechs Jahre vergangen. Es ist vollkommen klar, dass das Regime nicht mehr in der Lage ist, das Land zu führen. Überall im Land herrschen Chaos und Unruhe. Damit die Bevölkerung dies nicht erkennt, wird die Opposition angegriffen. Die einzige Partei, die die Verbrechen der AKP/MHP-Koalition ans Licht bringt, ist die HDP. Deshalb befindet sie sich ständig im Visier der Regierung. Aber der Regierungsplan, die HDP als terroristisch darzustellen, wird scheitern.“

Wir werden uns niemals beugen“

Bayındır betont, die Regierung sehe in der HDP ein ernstes Hindernis für ihre Interessen. Daher sei es das größte Ziel, die HDP zu schwächen und ihr die Basis zu nehmen. Er fährt fort: „Die Regierung ist am Ende ihres Wegs angekommen Das Volk weiß mittlerweile sehr genau, wer demokratische Politik macht und wer an die Zukunft des Landes denkt. Keine politischen Initiativen der AKP sind mehr erfolgreich. Die AKP kann versuchen was sie möchte, aber wir werden keinen Schritt zurückweichen. Wir werden uns niemals beugen, das sollte ihre Sorge sein.“

Die Stadtverwaltung von Qers wurde zum Störfaktor für das Regime

Zu den Angriffen auf die Stadtverwaltung von Qers (türk. Kars), die Festnahme und Inhaftierung der Bürgermeister*innen der Stadt, sagt Bayındır: „Qers hat für AKP und MHP eine große Niederlage bedeutet. Als wir als DBP damals die Stadtverwaltung von Reşqelas (türk. Iğdır) gewannen, hat Regierungssprecher Cemil Çiçek erklärt: ‚Nun haben sie die armenische Grenze erreicht.‘ Die Regierung lebt ständig in einer solchen Angst. Qers ist eine besondere Stadt und ein Ort mit einer reichen Kultur. In der Stadt leben Kurden, Türken, Perser und Karapapaken. Alle Völker, die in Kurdistan leben, haben eine reiche Kultur.

Nachdem die HDP ins Rathaus eingezogen ist, haben die Menschen in Qers erstmalig Zugang zu guten Dienstleistungen gehabt. Die Ko-Bürgermeister*innen beendeten die Korruption und stellten die Stadtverwaltung in den Dienst der Bevölkerung. Die AKP/MHP-Koalition war ständig darum bemüht, die Stadtverwaltung zu diffamieren. In diesem Zusammenhang sind die Ko-Bürgermeister*innen Ayhan Bilgen und Şevin Alaca sowie weitere HDP-Ratsmitglieder festgenommen worden. Die Menschen in Qers bewerten die Arbeit der Stadtverwaltung als positiv. Unsere Stadtverwaltungs- und Ratsmitglieder haben nichts weiter getan, als den Menschen in der Stadt zu dienen. Sie haben einen neuen Weg für Qers geöffnet, deswegen sind sie ins Visier von AKP und MHP geraten.“

Schwache Reaktion der Opposition“

Bayındır kritisiert die „schwache Reaktion“ der Opposition auf die Repression und sagt: „Sowohl in Kurdistan als auch in der Türkei und im Ausland wird gegen den politischen Vernichtungsfeldzug des AKP/MHP-Regimes protestiert. Die Reaktion der Opposition in der Türkei war gut, aber schwach. Die Opposition muss sich gegen solche rechtswidrigen Operationen vereinen und für eine demokratische Politik eintreten. Gegen den politischen Vernichtungsfeldzug und den Faschismus müssen alle Institutionen und alle Oppositionsparteien einen starken Kampf führen. Denn die Operation richtet sich nicht allein gegen die HDP, sie richtet sich gegen alle Völker in Kurdistan und der Türkei. Alle Menschen, die in der Türkei menschliche, gerechte und rechtsstaatliche Politik wollen, müssen viel heftiger gegen die Repression protestieren.“