Polizeigewalt gegen Studierende in Izmir

Nach Istanbul ist auch in Izmir eine Protestveranstaltung von Studierenden von der Polizei angegriffen worden. Die Aktion richtete sich gegen die Verhaftung von zwei Boğaziçi-Studenten. Mindestens 27 Personen wurden in Gewahrsam genommen.

Nachdem am Montag bereits in Istanbul knapp hundert Studierende und Aktivist*innen bei einem Protest gegen die Ernennung des AKP-Politikers Melih Bulu zum Leiter der Boğaziçi-Universität von der Polizei in Gewahrsam genommen worden sind, werden nun auch aus Izmir etliche Festnahmen gemeldet. Dort hatte das Solidaritäts-Bündnis der Hochschulen in der westtürkischen Küstenprovinz zu einem „Marsch der Würde“ für zwei Studierende der Universität Boğaziçi aufgerufen, die vor zwei Tagen wegen vermeintlicher Volksverhetzung verhaftet worden sind.

Nach aktuellem Stand wurden in Izmir 27 Studierende vor dem ÖSYM-Sitz, dem Zentrum für Studentenauswahl und -zuweisung des türkischen Hochschulrates YÖK im Bezirk Alsancak, unter Anwendung von Gewalt festgenommen. Vertreter*innen der Presse sind einer GBT-Abfrage ihrer staatlich gespeicherten Daten unterzogen worden, einige Medienschaffende berichteten davon, dass ihre Speicherkarten entwendet und Fotos gelöscht wurden. Auch mehrere Passantinnen und Passanten, die sich kritisch zum Umgang der Polizei mit den Studierenden äußerten, gerieten in eine GBT-Kontrolle.

Video: MA

Verhaftungen wegen „blasphemischem Bild“

Bei den am Wochenende in Istanbul verhafteten Studenten handelt es sich um Doğu Demirtaş und Selahattin Uğuzeş. Ihnen wird nach Artikel 216/1 vorgeworfen, zu „Hass, Feindschaft oder Erniedrigung“ angestiftet zu haben. Grundlage ist ein von der Generalstaatsanwaltschaft Istanbul geführtes Ermittlungsverfahren wegen einer Kunstinstallation, mit der der Islam verunglimpft worden sei. Das Verfahren wurde eingeleitet, nachdem türkische Medien eine Lynch-Kampagne entfacht und gemeldet hatten, dass „die LGBT-Perversen“ ein Foto der heiligen Kaaba in Mekka für ihren Protest gegen Melih Bulu missbraucht haben. Gemeint ist ein Transparent aus der Ausstellung, das den Hof der Großen Moschee von Mekka darstellt, in dessen Zentrum statt der heiligen Kaaba ein Bild der mythischen Figur Şahmaran zu sehen ist. An der linken oberen Ecken des Bildes ist zudem eine kleine Regenbogenfahne eingeblockt.

Innenminister: Hartes Vorgehen gegen „LGBTI-Perverse“

Die von der Kunstfakultät der Boğaziçi organisierte Ausstellung war Teil des Protestcamps auf dem Universitätsgelände. An der Lynch-Kampagne gegen das angeblich blasphemisches Bild beteiligten sich auch Spitzenpolitiker der Regierung, darunter die Minister der Justiz und des Innern, der Vizepräsident, der Leiter der staatlichen Religionsbehörde Diyanet, der Gouverneur von Istanbul und der Vorstand des türkischen Hochschulrats (YÖK). Innenminister Süleyman Soylu verkündete, gegen die „Perversen“ Studierenden hart vorzugehen und schickte Polizisten auf den Campus. In der Folge wurden die Räume eines LGBTI*-Clubs an der Universität durchsucht.