Parlament beginnt mit Debatte über neues Vollzugsgesetz

Ungeachtet heftiger Kritik hat die türkische Nationalversammlung mit der Debatte über die Änderung des Strafvollzugsgesetz begonnen. Der Entwurf schließt politische Gefangene wie Journalisten und Politiker explizit aus.

Das türkische Parlament hat am Dienstag mit der Debatte über die Änderung des Strafvollzugsgesetzes begonnen. Den Entwurf der AKP/MHP-Regierungskoalition hatte der Justizausschuss der Nationalversammlung am vergangenen Samstag angenommen. Durch die als „Corona-Amnestie“ bezeichnete Gesetzesänderung könnten 90.000 Häftlinge freikommen. Der Entwurf stößt im In- und Ausland auf breite Ablehnung, weil politische Gefangene von der Maßnahme ausgeschlossen sind.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Meral Danış Beştaş, übte heftige Kritik an dem Gesetzentwurf. In Zeiten einer Pandemie lege die Regierung einen im Widerspruch zum verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichheit stehenden Entwurf vor, der ausschließlich vorsehe, die eigene Anhängerschaft auf freien Fuß zu setzen. Der CHP-Abgeordnete Bülent Tezcan sagte: „Politischen Gefangenen die Amnestie nicht zu gewähren bedeutet nichts anderes, als den Standpunkt zu vertreten: ‚Ob die Gewissensgefangenen nun im Gefängnis an Corona sterben oder anderswo an was auch immer, ist uns im Prinzip egal‘ – und die Freilassung von Vergewaltigern und wegen organisierter Bandenkriminalität verurteilten Personen herbeizusehnen.“

Die HDP-Fraktion protestierte mit Transparenten mit Aufschriften wie „Gleichberechtigte Vollzugsgestaltung für alle Gefangenen“ und „Corona unterscheidet nicht zwischen Gefangenen“ gegen den Gesetzentwurf. Am Mittoch soll die Debatte fortgesetzt werden.