Todesschütze von Paris in Psychiatrie verlegt

Nach den Morden von Paris ist der Täter in die Psychiatrie eingeliefert worden. Der Gesundheitszustand des Mannes sei nicht mit Polizeigewahrsam verträglich, hieß es. Kurden warnen vor einer Relativierung der politischen Motivation des Täters.

Nach dem Dreifachmord an einer Kurdin und zwei Kurden in Paris ist der Täter William M. in die Psychiatrie eingeliefert worden. Ein Arzt habe festgestellt, dass der Gesundheitszustand des Mannes „nicht mit einem Aufenthalt in Polizeigewahrsam verträglich“ sei. Wie die Staatsanwaltschaft am Samstagabend mitteilte, solle der Verdächtige einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, sobald sein Zustand dies erlaube.

Wenige Stunden zuvor gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass gegen den 69-Jährigen nun auch wegen eines möglichen rassistischen Motivs ermittelt werde. Dem Franzosen drohe damit weiterhin eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen zunächst wegen vorsätzlicher Tötung und schwerer Gewalt eingeleitet. Französische Medien berichteten, der Mann habe der Polizei gesagt, die Schüsse abgefeuert zu haben, weil er „Rassist“ sei. Die kurdische Gemeinde habe er „gezielt“ angreifen wollen. Bei seiner Festnahme habe er einen kleinen Koffer mit zwei Magazinen und mindestens 25 Patronen vom Kaliber 45 bei sich gehabt.

Der polizeibekannte Angreifer, der erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte am Freitag in der migrantisch geprägten Rue d’Enghien im zehnten Pariser Arrondissement mehrere Schüsse abgegeben. Zunächst eröffnete er vor dem kurdischen Gemeindezentrum „Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya“ das Feuer und traf Personen, die im Eingangsbereich warteten. Anschließend setzte er seinen Angriff auf ein gegenüber liegendes kurdisches Restaurant fort und versuchte auch, den benachbarten Barbiershop, der ebenfalls von Kurd:innen betrieben wird, anzugreifen. Hier konnte der Täter von Mitarbeitern überwältigt und so lange festgehalten werden, bis die Polizei eintraf und den Mann festnahm.

Die Opfer: Emine Kara, M. Şirin Aydın, Abdurrahman Kızıl (v.l.n.r.)

Bei den Todesopfern handelt es sich um die Revolutionärin Emine Kara, die erst 2019 nach Europa kam und zuvor nach jahrzehntelangem Aufenthalt in den Bergen Kurdistans in Rojava an Projekten für ezidische Vertriebene aus Şengal arbeitete; den Musiker Mîr Perwer (M. Şirin Aydın), der aufgrund eines rechtskräftigen Urteils über 20 Jahre Haft wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ aus der Türkei flüchtete und in Frankreich politisches Asyl beantragte; sowie Abdurrahman Kızıl, ein kurdischer Patriot in den 60ern, der als Gedächtnis des Kulturzentrums galt. Drei weitere Menschen, ebenfalls Aktive aus dem kurdischen Spektrum, wurden teils schwer verletzt.

CDK-F: „Terroristische Attacke“

Der Demokratische Kurdische Rat in Frankreich (CDK-F), der als Dachverband von 24 kurdischen Vereinen fungiert, hatte den Anschlag als „terroristische Attacke“ gewertet, zu der es nach zahlreichen türkischen Drohungen gekommen sei. Zweimal habe der Verband innerhalb der letzten drei Wochen mit den französischen Sicherheitsbehörden gesprochen und Schutzmaßnahmen eingefordert, sagte der CDK-F-Sprecher Agit Polat am Freitagabend vor der Presse. Die politische Situation in der Türkei in Bezug auf die kurdische Bewegung veranlasse den CDK-F eindeutig dazu, „zu vermuten, dass es sich um politische Morde handelt“. Die allzu schnell präsentierte These von fremdenfeindlicher Motivation eines Einzeltäters sei inakzeptabel. Anders als die Behörden gehe man auch nicht davon aus, dass der Tatverdächtige allein handelte.

Eine kurdische Delegation ist am Samstag vom französischen Justizminister empfangen worden

Kurdische Delegation von Justizminister empfangen

Ähnlich äußerte sich Polat am Samstag auch bei einem Gespräch mit dem französischen Justizminister Éric Dupond-Moretti. „Frankreich ist in Trauer“, sagte der Minister nach der Zusammenkunft mit mehreren Vertreter:innen des CDK-F und versprach „unverbrüchliche Unterstützung“ für die kurdische Community. Mit Blick auf die Diskussionen um die Motivation des Todesschützen sagte Moretti, die Einstufung der Tat als eine politisch-ideologisch motivierte sei mitunter schwierig, denn nicht immer wäre der Hintergrund einer Tat sofort zu erkennen. „Justizpolizei und Terrorstaatsanwaltschaft stehen im ständigen Austausch. Die Einstufung der Tat kann im Laufe der Ermittlungen noch verändert werden“, so Moretti.

Terror lässt sich nicht relativieren

Die kurdische Seite betonte, die gesundheitlich begründete Entlassung des Todesschützen aus dem Polizeigewahrsam ließe befürchten, dass belastende Umstände zu seiner Entlastung herangezogen werden könnten. „Aus unserer Sicht ist der politische und terroristische Hintergrund dieser Tat vollkommen unbestritten und kann durch nichts relativiert werden“, erklärte Polat. Gerade hinsichtlich der Äußerung des Mörders, die Angriffe zielgerichtet gegen kurdischstämmige Menschen verübt zu haben, sei es wichtig, dass die Bedeutung des Terrors nicht verkannt wird.