In Ostkurdistan hat am Mittwoch ein Solidaritätsstreik für Belutschistan stattgefunden. Anlass war der 40. Tag nach dem „blutigen Freitag“ in Zahedan in der Provinz Sistan-Belutschistan. Am 30. September waren viele Menschen in der Stadt im Südiran nach dem Freitagsgebet auf die Straßen geströmt, um gegen die Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens durch einen Polizisten zu protestieren. Die Sicherheitskräfte reagierten mit brutaler Gewalt, nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden 92 Personen getötet, die meisten durch Schüsse. Der Aufstand in Zahedan war zwei Wochen nach dem Mord an der Kurdin Jina Mahsa Amini durch die Sittenpolizei in Teheran ausgebrochen.
An dem Streik in Ostkurdistan beteiligten sich Gewerbetreibende in vielen Städten. In Sine (Sanandadsch), Mêrîwan, Bane, Seqîz (Saqqez), Mahabad und Bokan blieben die meisten Geschäfte geschlossen. Von Mittags bis Abends fanden Straßenproteste statt.
Aufnahmen von geschlossenen Läden und Straßenprotesten in Ostkurdistan (RojNews)
Auch in vielen anderen Städten im Iran gingen die Menschen in Solidarität mit Zahedan auf die Straßen, so etwa in Tabris, Teheran, Maschhat, Isfahan und weiteren Orten. Die Menschen zündeten Kerzen im Gedenken an die Todesopfer an, errichteten Feuer auf der Straße und riefen Parolen wie „Tod dem Diktator“ und „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit).
Darüber hinaus zeigen immer mehr Kunstschaffende, Aktivist:innen, Intellektuelle, Sportler:innen und Akademiker:innen öffentlichen Protest. Die Schauspielerin Taraneh Alidoosti hat sich auf Instagram mit den Protesten im Land solidarisiert. In einem Beitrag am Mittwoch veröffentlichte die 38-Jährige ein Foto ohne Kopftuch. In die Kamera hält sie ein Plakat mit dem kurdischen Slogan „Jin Jiyan Azadî". Die 38-Jährige gilt als eine der berühmtesten Schauspielerinnen Irans.
„Jina war eine starke und freiheitsliebende Frau“
Der Cousin von Jina Amini hat sich gegenüber RojNews zu den staatlichen Versuchen geäußert, den Mord mit verschiedenen Szenarien zu verschleiern. Irfan Murtezayi lebt in der Kurdistan-Region Irak und sagt, der Aufstand sei Ausdruck der in 43 Jahren aufgestauten Wut auf die Islamische Republik Iran: „Als Angehörige von Jina sind wir stolz darauf, dass sie zum Symbol dieses Aufstands geworden ist.“
Die Familie von Jina Amini sei seit ihrer Ermordung extremen Druck ausgesetzt, ihr Haus in Saqez werde rund um die Uhr überwacht, berichtet Murtezayi: „Das iranische Regime versucht, Jina als politische Persönlichkeit darzustellen und sie in Verbindung mit politischen Parteien in Ostkurdistan zu bringen. Jina hatte jedoch mit überhaupt keiner politischen Partei Kontakt. Sie war allerdings eine starke und freiheitsliebende Frau, eine offene und entschlossene Persönlichkeit.“
Hunderte Menschen seit Beginn der Proteste getötet
Seit Beginn der Proteste im Iran sind Hunderte Menschen getötet worden. Die Angaben von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionellen schwanken zwischen 200 und 550 Toten. Es wird davon ausgegangen, dass Zehntausende Menschen festgenommen oder verhaftet wurden. Einige Quellen sprechen sogar von bis zu 30.000 Festnahmen. Da die Kommunikationsmittel im Iran weiterhin nur eingeschränkt nutzbar und unabhängige Medien nicht erlaubt sind, können die tatsächlichen Zahlen kaum festgestellt werden.
15 Journalistinnen verhaftet
Unter den Verhafteten befinden sich auch Dutzende Journalist:innen. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen ist vor allem die Anzahl der Verhaftungen von weiblichen Medienschaffenden stark gestiegen. Demnach sind seit dem 16. September 42 Journalist:innen festgenommen worden. Acht wurden freigelassen, die anderen befinden sich weiterhin in Gewahrsam, darunter 15 Frauen.