Der Bundestag debattiert heute ab 17 Uhr über die aktuelle Situation im Iran. Grundlage dafür ist ein von den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegter Antrag mit dem Titel „Protestbewegung im Iran unterstützen, Druck auf das Regime in Teheran erhöhen“, der im Anschluss an die Debatte direkt abgestimmt werden soll. Außerdem bringt die Linksfraktion einen Antrag mit dem Titel „Frau, Leben, Freiheit – Solidarität mit den Protesten in Iran – Verfolgte aufnehmen, Abschiebungen stoppen“ ein.
Antrag der Koalitionsfraktionen
Die Koalitionsfraktionen wollen zur Unterstützung der Protestbewegung im Iran den Druck auf das Regime in Teheran erhöhen. „Die seit Wochen andauernden Straßenproteste in der Islamischen Republik Iran haben sich zur größten Herausforderung des menschenverachtenden iranischen Regimes seit dem Aufstand gegen die Präsidentschaftswahl 2009 ausgeweitet“, heißt es in dem ausführlich begründeten Antrag. Entzündet habe sich die Wut in der Bevölkerung am 16. September 2022 durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Jina Amini nach Verhaftung durch die umstrittene Sittenpolizei, die sie wegen eines „nicht korrekt“ sitzenden Kopftuchs festgenommen hatte. Aminis Tod sei Teil der systematischen Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten im Iran seit mehr als vier Jahrzehnten, wo zudem Frauen und Minderheiten besonders diskriminiert und unterdrückt würden.
Schließung des Islamischen Zentrums in Hamburg soll geprüft werden
Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem auf, „den bereits erhöhten politischen und diplomatischen Druck auf das Regime in Teheran aufrecht zu erhalten, insbesondere durch die Verhandlungen über die Iran-Menschenrechts-Resolution im Dritten Ausschuss der VN-Generalversammlung und im VN-Menschenrechtsrat, wo sich die Bundesregierung für eine Sondersitzung zur Menschenrechtslage im Iran und für eine Verlängerung des Mandats des VN-Sonderberichterstatters zum Iran einsetzen soll“. Außerdem sollen weitere Sanktionen auf EU-Ebene für Verantwortliche für das gewaltsame Vorgehen des iranischen Regimes gegen Demonstrierende vorbereitet, der Kreis der Visa-Sperren gegen Verantwortliche ausgeweitet und die Verschärfungen von Sanktionen auch beim Handel und bei den Finanzbeziehungen geprüft werden.
Weitere Forderungen zielen auf die Unterstützung von NGOs, die Beweismaterial gegen Verantwortliche staatlicher Gewalt und Willkür dokumentieren sowie den Schutz demokratischer Oppositioneller aus dem Iran und besonders gefährdeter Iranerinnen und Iraner aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft in Deutschland. Geprüft werden solle in diesem Zusammenhang auch, ob und wie das „Islamische Zentrum Hamburg“ als „Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland“ geschlossen werden könne.
Doppelmoral: Iran verletzt irakische Souveränität durch Angriffe auf Südkurdistan
Zudem beantragen die Koalitionsfraktionen, „die Verletzung der Souveränität des Irak durch Angriffe des Iran auf die Region Kurdistan-Irak zu verurteilen“, und erklären, dass der Iran in den vergangenen Monaten „die territoriale Integrität des Irak mehrfach durch Raketenangriffe auf den Norden des Landes verletzt“ habe und die Angriffe auf die Region Kurdistan-Irak nach dem Tod der Kurdin Amini noch zugenommen haben. An dieser Stelle zeigt sich die Doppelmoral der Koalitionsfraktionen: Die Türkei hat weite Teile irakischen Territoriums in der Kurdistan-Region Irak besetzt, führt seit Jahrzehnten grenzüberschreitende Militäroperationen durch und begeht durch den Einsatz chemischer Waffen und anderer verbotener Kampfmittel gegen die Guerilla und die Zivilbevölkerung tagtäglich Kriegsverbrechen. Trotzdem bleibt das Erdogan-Regime ein enger und unangetasteter Partner der Bundesregierung.