Das Hanseatische Oberlandgericht (OLG) Hamburg hat die ursprünglich schikanösen Auflagen gegen den kurdischen Aktivisten Mustafa Ç. (Amed), der am 5. August aus der Strafhaft entlassen werden soll, entschärft. Das teilt der Rechtshilfefonds Azadî e.V. mit.
Nach dem Plan der Generalstaatsanwaltschaft hätte der Kurde während der fünfjährigen Führungsaufsicht u.a. Fußfesseln tragen, ein ständig betriebsbereites nicht-internetfähiges Mobiltelefon mit sich führen oder die Aufstellung der sog. Home-Unit in seiner Wohnung dulden müssen. Zudem wurde ihm der Besuch kurdischer Vereine in Bremen untersagt sowie die Teilnahme, Organisierung oder Anmeldung von Veranstaltungen im Zusammenhang mit „Belangen des kurdischen Volkes“. Ein zweimal monatliches Melden bei einer Polizeidienststelle war ebenso vorgesehen wie das Verbot, Bremen zu verlassen.
Begründet wurden diese drakonischen Maßnahmen damit, dass Mustafa Ç. während seiner über zweieinhalbjährigen Haftzeit nicht „erkennbar“ von seiner „politischen Haltung“ abgerückt sei, an „seiner Werteorientierung“ festgehalten habe, er seine bisherigen politischen Aktivitäten für die PKK nicht als „strafbar“ betrachtet habe, er „kaum integriert“ sei und nach der Haftentlassung „vermutlich“ wieder für die PKK tätig werde. Deshalb müsse der 47Jährige engmaschig kontrolliert werden, was zumutbare „Anforderungen an die Lebensführung“ seien.
Mustafa Ç. war im Oktober 2020 vom OLG Hamburg verurteilt worden, weil er als Funktionär das „PKK-Gebiet Salzgitter“ verantwortlich geleitet haben soll. Einer individuellen Straftat ist er nicht beschuldigt worden.
Fünf Jahre Führungsaufsicht in Bremen
Eine Anhörung am 4. Juli vor dem OLG nahm Rechtsanwalt Heinz Schmitt, Verteidiger von Mustafa Ç., zum Anlass für scharfe Kritik an den schikanösen Auflagen durch die Generalstaatsanwaltschaft und forderte deren weitgehende Rücknahme.
Rechtsanwalt Heinz Schmitt nach der Urteilsverkündung vor dem OLG Hamburg im Oktober 2020
Dieser Forderung ist der Staatsschutzsenat des OLG größtenteils nachgekommen. Wenn Mustafa Ç, also vermutlich am 5. August entlassen wird, erwartet ihn während einer fünfjährigen Führungsaufsicht „nur“ noch, dass er das Land Bremen nicht verlassen und keine Versammlungen anmelden oder organisieren darf.
„Toxisches Verhältnis zum türkischen Regime“
„Die Entscheidung ist zwar zu begrüßen, doch hat die Generalstaatsanwaltschaft mit ihren geplanten Maßnahmen eine verheerende Mentalität und ,Werteorientierung' offenbart, von der sie glaubte, sie durchsetzen zu können. Dieses schlechte Beispiel darf keine Nachfolger finden. Ursache von Vorgängen wie diesen ist die seit Jahrzehnten praktizierte Kriminalisierung von Kurd:innen und ihren Organisationen durch die bundesdeutsche Politik und das toxische Verhältnis zum türkischen Regime, dem Profiteur dieser Praxis“, erklärt Azadî e.V.:
„AZADÎ fordert ein Ende dieser Politik, aber starke Solidarität mit Kurdinnen und Kurden, damit sie sich in der Bundesrepublik frei und straflos für ihre legitimen Rechte, Interessen und Ziele einsetzen können.“