Nach BGH-Revision: Neues Urteil gegen IS-Rückkehrerin erwartet

Welche Strafe ist angemessen für die Mitschuld der deutschen Islamistin Jennifer W. am Tod eines fünfjährigen ezidischen Mädchens, das im Irak angekettet in praller Mittagssonne starb? Darüber entscheidet am Dienstag das OLG München.

Nach einer Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) verkündet das Oberlandesgericht (OLG) München am Dienstag erneut ein Urteil im Prozess gegen die deutsche Islamistin Jennifer W. Bei der Entscheidung geht es jedoch nur noch um das Strafmaß, wie mehrere Medien am Montag berichteten. Die Frau aus dem niedersächsischen Lohne war im Oktober 2021 wegen ihrer Mitgliedschaft in der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) sowie Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge in einem minderschweren Fall zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Die inzwischen 32-jährige Jennifer W. hatte im ersten Prozess gestanden, im Sommer 2015 dabei zugesehen zu haben, wie das von ihr und ihrem damaligen Ehemann versklavte ezidische Mädchen Rania von dem Dschihadisten angekettet in praller Mittagssonne starb. In der neuen Verhandlung hatte sie außerdem eingeräumt, der ebenfalls versklavten Mutter des Mädchens eine Waffe an den Kopf gehalten zu haben, weil sie wollte, dass diese aufhört, um ihr getötetes Kind zu weinen.

Der Bundesanwaltschaft reichten zehn Jahre Freiheitsstrafe und die Einstufung als minderschwerer Fall nicht aus. Sie ging vor dem BGH in Revision und hatte Erfolg: Der Bundesgerichtshof erkannte Rechtsfehler in dem Urteil und verwies die Sache an eine andere Strafkammer des Münchner OLG. Vor dem Gericht sprach sich Bundesanwalt Jochen Weingarten vor einer Woche für eine Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren und sechs Monaten gegen W. aus. Es liege „sicher kein minderschwerer Fall vor“, sagte Weingarten in seinem Plädoyer. Die Verteidigung forderte ein Strafmaß wie im ersten Urteil.

W. habe die „Sklaverei proaktiv ausgestaltet“, die Frau und ihre kleine Tochter überwacht, sagte Weingarten. „Sie hat die Frondienste selber veranlasst.“ Und sie habe – aus Angst, ihr Ehemann könne sie anschreien oder gar schubsen – dem Mädchen nicht geholfen, obwohl ihr das durchaus zuzumuten gewesen wäre. „Sie hat gewusst, dass das Kind leiden wird“, heißt es in dem Plädoyer. „Handlungstreibend ist egoistische Bequemlichkeit“, so der Bundesanwalt.

W.'s irakischer Ex-Mann Taha Al-Jumailly ist bereits rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt – wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen Personen, Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft, dem Mord an dem ezidischen Mädchen sowie IS-Mitgliedschaft. Er hatte das Mädchen und dessen Mutter in Syrien als Sklavinnen gekauft, nachdem diese vom IS im August 2014 aus ihrem Dorf in der Şengal-Region im Nordwesten des Iraks verschleppt worden waren. Die Mutter des getöteten Mädchens ist Nebenklägerin in dem Prozess.