Im Fall der beiden kurdischen Aktivisten Ramazan A. und Yüksel T., die sich nach den verhinderten Abschiebungsversuchen nach Bulgarien wieder im Eichstätter Abschiebegefängnis befinden, gibt es neue Entwicklungen. Vergangenen Montag wurde beiden Schutzsuchenden durch einen türkischen JVA-Mitarbeiter, der beiden unbekannt war, ein Schreiben in türkischer Sprache übergeben. Der Absender dieser Briefe, die per Fax an die Abschiebehaftanstalt Eichstätt gingen, ist offenbar das Amtsgericht Ingolstadt. Inhaltlich gehe es um die Ankündigung der Überstellung beider Aktivisten nach Frankfurt zwecks Abschiebung. Yüksel T. soll demzufolge am 28. oder 29. Oktober der Bundespolizei Frankfurt übergeben werden. Laut Akte wurde seine Abschiebung für den 29. Oktober anberaumt. Ramazan A. erhielt einen Übergabetermin für den 24. oder 25. Oktober nach Frankfurt. Diesen Abschiebungsversuch konnte der 29-Jährige am gestrigen Donnerstag erfolgreich verhindern (ANF berichtete: Erfolgreicher Widerstand: Kurdischer Aktivist nicht abgeschoben). Laut seiner Akte sollte die Abschiebung allerdings erst am 30. Oktober in München stattfinden. Nach Angaben eines Mitarbeiters vom Sozialdienst der JVA-Eichstätt sollen zudem mehrere Seiten des Schreibens fehlen.
Es stellen sich jetzt mehrere Fragen: Warum hat die Anwältin, die beide Aktivisten vertritt, die Schreiben vom Amtsgericht Ingolstadt nicht erhalten? Auch das BAMF ist offenbar nicht informiert. Und warum verfasst ein deutsches Gericht derartige Schreiben in türkischer Sprache? Völlig unüblich, sagt die Anwältin. Auch sei nicht klar, warum Ramazan A. vor seinem angekündigten Abschiebetermin in München nach Frankfurt überstellt wurde. Nachfragen bei der Bundespolizei München hätten ergeben, dass diese von der geplanten Überstellung nach Frankfurt nichts wüssten. Völlig absurd, sagte ein Sprecher des Nürnberger Bündnis für Frieden in Kurdistan auf Nachfrage von ANF. Ohne eine entsprechende Anordnung aus Münche könne keine Überstellung nach Frankfurt erfolgen. Nachfragen beim Amtsgericht Ingolstadt wiederum hätten ergeben, dass dort entsprechend eines Antrags der Bundespolizei München gehandelt wurde. Den Behörden wird nun vorgeworfen, die Anwältin von Ramazan A. und Yüksel T. bewusst in Unkenntnis über die vorgesehenen Termine gelassen zu haben, um doch noch eine Abschiebung zu erreichen.
Da die Einreise nach Deutschland nicht über den direkten Weg erfolgte, sollen die beiden Aktivisten Ramazan A. und Yüksel T. gemäß der Dublin-Verordnung dorthin deportiert werden, wo sie zuerst europäischen Boden betraten - in ihrem Fall Bulgarien. Sollte eine Abschiebung nach Bulgarien erfolgen, droht beiden eine völkerrechtswidrige Zurückweisung in die Türkei, da es sich bei dem EU-Staat Bulgarien quasi um ein Hinterland von Ankara handelt. Yüksel T. hat in der Türkei bereits fast eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft gesessen. Vor vier Jahren war er in eine Auseinandersetzung mit faschistischen Studenten an der Sütcü-Imam-Universität in Maraş verwickelt. Dabei wurde er so schwer verletzt, dass er drei Wochen im Koma lag. Noch heute leidet er unter gesundheitlichen Einschränkungen. Wegen der Auseinandersetzung wurde sein Studium aberkannt und er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Er konnte fliehen, bevor das Urteil rechtskräftig wurde. Ramazan A. wird aufgrund seiner regierungskritischen Meinungsäußerung in den sozialen Medien verfolgt. Auch ihm drohen in der Türkei massive Repression und eine langjährige Haftstrafe.