Mörder von Hrant Dink wegen „guter Führung“ entlassen

Der Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink ist vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Grund dafür sei „gute Führung“, teilte die dem türkischen Justizministerium unterstellte Generaldirektion für Straf- und Vollzugsanstalten mit.

Der Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink ist zwölf Jahre nach seiner Verurteilung vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden. Das teilte die dem Justizministerium unterstellte Generaldirektion für Straf- und Vollzugsanstalten am Donnerstag in Ankara mit. Ogün Samast war im Juli 2011 für die Ermordung von Dink sowie wegen unerlaubten Waffenbesitzes von einem Jugendgericht zu 22 Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Zu dem Zeitpunkt saß er bereits mehr als vier Jahre in Untersuchungshaft. Grund seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis in Bolu sei „gute Führung“, so die Behörden.

Samast, zum Tatzeitpunkt 16 Jahre alt, hatte Dink im Januar 2007 vor dem Redaktionsgebäude der türkisch-armenischen Wochenzeitung „Agos“ in Istanbul auf offener Straße erschossen. Dink war Chefredakteur der Zeitung. Er war jahrelang von nationalistischen und rassistischen Kräften in Gesellschaft und Justiz verfolgt worden, weil er den Genozid am armenischen Volk im Osmanischen Reich als solchen bezeichnete. „Ich habe den Ungläubigen erschossen“, rief Samast nach der Tat.

Auch kurz vor seinem Tod war Dink Anfeindungen ultranationalistischer Kreise und gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt – wegen „Beleidigung des Türkentums”. Der Journalist setzte sich für die Rechte von Minderheiten und eine Versöhnung zwischen Armenier:innen und Türk:innen ein und stritt für Demokratie, Freiheit und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Genozid von 1915. Die türkische Regierung lehnt diese Einstufung bis heute kategorisch ab.

Auch mehrere Drahtzieher waren im Zusammenhang mit der Ermordung von Dink verurteilt worden. Die armenische Gesellschaft bemängelt jedoch, dass die Hintergründe der Tat nicht vollständig aufgeklärt und Verantwortliche nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Von über siebzig Angeklagten waren mehr als ein Dutzend freigesprochen worden, andere gelten bis heute als flüchtig und das Verfahren gegen eine Gruppe Nachrichtendienstler und Polizisten wurde wegen Verjährung eingestellt.

Das, obwohl kurz nach dem Attentat bekannt geworden war, dass die Sicherheitsbehörden bereits elf Monate vor dem Mord an Dink von den Vorbereitungen dazu unter anderem durch einen V-Mann unterrichtet waren. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte 2010 entschieden, die Regierung in Ankara habe in ihrer Verpflichtung versagt, Dinks Leben zu schützen. Polizei, Geheimdienst und Gendarmerie seien über die Mordpläne türkischer Ultranationalisten informiert gewesen, hätten aber nichts zum Schutz des Journalisten unternommen.

Dinks Mörder wurde nach seiner Festnahme auf einer Wache wie ein Held gefeiert. Die türkische Polizei schoss zusammen mit Ogün Samast ein gemeinsames Erinnerungsfoto mit der Türkei-Fahne. Der Polizist, der sich mit Samast auf dem Foto abbilden ließ, stieg später zum Generaldirektor der Polizei in der nordkurdischen Stadt Meletî (tr. Malatya) auf. Dort war Hrant Dink 1954 geboren worden. Vor 1915 waren rund die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner von Meletî armenischer Volkszugehörigkeit.