Haftstrafen im Prozess um Mord an Hrant Dink
14 Jahre nach dem Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink sind die Urteile gegen einige Hintermänner der Tat gefallen. Seine Anwälte und Freunde kritisieren den Prozess.
14 Jahre nach dem Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink sind die Urteile gegen einige Hintermänner der Tat gefallen. Seine Anwälte und Freunde kritisieren den Prozess.
Im Prozess um den Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink sind in Istanbul die Urteile gefallen: Wegen Verjährung hat die 14. Große Strafkammer die Verfahren gegen den ehemaligen Chef des Nachrichtendienstes der Polizei, Sabri Uzun, den früheren Polizeichef von Istanbul, Celalettin Cerah, sowie dessen ehemaligen Kollegen in Trabzon, Reşat Altay, den Ex-Abteilungsleiter des Geheimdienstes (MIT) Engin Dinç, und den Polizisten Muhittin Zenit eingestellt. Vier Angeklagte, bei denen es sich um Ramazan Akyürek, ebenfalls früherer Chef des Polizeigeheimdienstes, den Ex-Polizeichef Fuat Yılmazer sowie die beiden ehemaligen Beamten des Innenministeriums Yavuz Karakaya und Muharrem Demirkale handelt, sind wegen Verstößen gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu jeweils lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Weitere Haftstrafen zwischen knapp vier und 28 Jahren wurden gegen acht Personen wegen Verstößen gegen die Verfassung, Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, fahrlässiger Tötung oder Dokumentenfälschung verhängt.
Hrant Dink war am 19. Januar 2007 vor dem Gebäude seiner armenisch-türkischen Wochenzeitung Agos in Istanbul auf offener Straße erschossen worden. Jahrelang wurde er von nationalistischen Kräften in Gesellschaft und Justiz verfolgt, weil er den Genozid am armenischen Volk im Osmanischen Reich als solchen bezeichnete. Auch kurz vor seinem Tod war er Anfeindungen ultranationalistischer Kreise und gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt – wegen „Beleidigung des Türkentums”. Dink setzte sich für die Rechte von Minderheiten und eine Versöhnung zwischen Armenier*innen und Türk*innen ein, stritt für Demokratie, Freiheit und gesellschaftliche Auseinandersetzung über den Genozid von 1915. Die türkische Regierung lehnt diese Einstufung bis heute kategorisch ab.
Im Prozess waren 76 Menschen angeklagt. Davon wurden dreizehn freigesprochen. Ein Verfahren mit 13 flüchtigen Angeklagten, darunter der PredigerFethullah Gülen und der frühere Staatsanwalt Zekeriya Öz, wurde abgetrennt und soll separat verhandelt werden. Der zur Tatzeit minderjährige Attentäter Ogün Samast war in einem vorherigen Prozess zu knapp 23 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Gegen ihn und Yasin Hayal, der den Todesschützen Ogün Samast zu der Tat angestachelt haben soll, erstattete die Staatsanwaltschaft heute Anzeige wegen vermeintlicher Mitgliedschaft bei FETÖ („Fethullahistische Terrororganisation”).
Nach dem Urteilsspruch kritisierten Anwält und Freunde Dinks, der Prozess habe die Hintergründe nicht aufklären können. Für sie stand lange fest, dass Polizei, Geheimdienst und Gendarmerie von den Mordplänen wussten, aber nichts zum Schutz des Journalisten unternommen hatten. Kurz nach dem Attentat kam heraus, dass die türkischen Sicherheitsbehörden bereits elf Monate vor dem Mord an Dink von den Vorbereitungen dazu unter anderem durch einen V-Mann unterrichtet waren. Dinks Mörder wurde nach seiner Festnahme auf einer Polizeiwache wie ein Held gefeiert. Die Anwälte des Journalisten haben angekündigt, in Berufung zu gehen.