In der Türkei haben Tausende Menschen dem vor 16 Jahren ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink gedacht. Die größte Veranstaltung fand vor dem ehemaligen Redaktionssitz der Zeitung Agos in der Halaskargazi Caddesi statt, wo Hrant Dink am 19. Januar 2007 auf offener Straße erschossen wurde. Vor seiner Ermordung wurde der Chefredakteur der armenischen Wochenzeitung Agos jahrelang von nationalistischen Kräften in Gesellschaft und Justiz verfolgt, weil er den Genozid am armenischen Volk im Osmanischen Reich als solchen bezeichnete. Auch kurz vor seinem Tod war er Anfeindungen ultranationalistischer Kreise und gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt – wegen „Beleidigung des Türkentums”. Dink setzte sich für die Rechte von Minderheiten und eine Versöhnung zwischen Armenier:innen und Türk:innen ein und stritt für Demokratie, Freiheit und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Genozid von 1915. Die türkische Regierung lehnt diese Einstufung bis heute kategorisch ab.
„Wir alle sind Hrant, wir alle sind Armenier“
Die Polizei riegelte den Veranstaltungsort bereits im Vorfeld des Gedenkens ab und führte Personenkontrollen durch. An dem Gebäude, in dem früher die Agos-Redaktion saß, wurde ein riesiges Bild von Hrant Dink aufgehängt. An der Stelle, an der Dink von den tödlichen Schüssen getroffen wurde, legten die Menschen Blumen und Granatäpfel nieder. Auf Schildern stand in armenischer, türkischer und kurdischer Sprache „Gerechtigkeit für Hrant“ und „Wir alle sind Hrant, wir alle sind Armenier“. Es wurden armenische Lieder und eine Tonaufnahme von einer früheren Rede von Hrant Dink abgespielt.
An dem Gedenken nahmen zahlreiche Vertreter:innen demokratischer Massenorganisationen und Politiker:innen der HDP und CHP teil, darunter auch die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan. Die im sogenannten Kobanê-Verfahren angeklagte Bircan Yorulmaz, die gerade erst aus der Haft freigelassen wurde, verlas eine Botschaft der im Prozess um den Gezi-Aufstand zu 18 Jahren Haft verurteilten Filmproduzentin Çiğdem Mater. Eine weitere verlesene Botschaft kam von der afghanischen Menschenrechtsverteidigerin Shahrazad Akbar, die in diesem Jahr mit dem Hrank-Dink-Preis ausgezeichnet wurde.
„Die Geschichte der Geschwisterlichkeit schreiben“
Um 15.05 Uhr, dem Zeitpunkt des Mordes, kam die Familie Dink zum Gedenkort. Rakel Dink, die Witwe des Ermordeten, legte eine Blume am Tatort nieder. Der Regisseur Emin Alper sagte in einer Rede, dass der Mord nach wie vor eine blutende Wunde sei. Der Gerechtigkeit sei nicht Genüge getan worden und die von den Mördern erschaffene Finsternis sei vielleicht inzwischen noch schwärzer geworden.
„Wir sind Hrants Freundinnen und Freunde und wir haben ihm ein gleiches, menschenwürdiges und freies Zusammenleben versprochen. Heute sind wir hier, um uns ein weiteres Mal an dieses Versprechen zu erinnern und einstimmig zu sagen: ,Dem Faschismus zum Trotz – Hrant, du bist mein Bruder“. So wie wir morgen einstimmig Frauen, Aleviten, Kurden, Homosexuelle oder Transpersonen sein werden, schreien wir heute mit Stolz beharrlich: ,Wir alle sind Hrant, wir sind alle Armenier'. Wir sind hier, um den Mördern, die Geschichte schreiben, den Stift aus der Hand zu nehmen und die Geschichte der Geschwisterlichkeit zu schreiben“, so Emin Alper.