Mehmet Öcalan: Die Isolation durchbrechen

Vor zwei Jahren ist Abdullah Öcalan das letzte Mal von seinem Bruder Mehmet Öcalan besucht worden. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr.

Bei seinem letzten Gespräch mit seinem Bruder Mehmet Öcalan hat der PKK-Gründer Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali erklärt: „Dieses Problem lässt sich nicht durch das Töten lösen. Hätte es durch den Tod gelöst werden können, wäre das in den vergangenen vierzig Jahren längst geschehen.“

Abdullah Öcalan ist 1999 von internationalen Kräften an die Türkei ausgeliefert worden und wird seitdem im Hochsicherheitsgefängnis Imrali in Isolationshaft festgehalten. Seit dem 27. Juli 2011 hat er nicht mehr mit seinem Anwaltsteam gesprochen, seit dem 5. April 2015 nicht mehr mit der „Imrali-Delegation“, einer Gruppe von HDP-Abgeordneten, die im Zuge der damaligen Friedensverhandlungen zwischen Öcalan, der KCK in Qendîl und Ankara vermittelte. Nach einem Hungerstreik kurdischer Politikerinnen und Politikern wurde Mehmet Öcalan am 11. September 2016 ein letztes Mal Zugang zu seinem Bruder gewährt. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von Abdullah Öcalan.

„Die Bevölkerung macht sich Sorgen“

Mehmet Öcalan bezeichnete gegenüber der Nachrichtenagentur MA die Totalisolation seines Bruders als politisch. Allerdings habe die Angelegenheit auch eine humanitäre Seite, die nicht nur seine Familie, sondern auch viele Kurdinnen und Kurde schmerze. „Jeder Gefangene hat das Recht auf Besuch seiner Angehörigen und seiner Anwälte. Seit zwei Jahren haben wir keinerlei Nachricht. Wir wissen nicht einmal, ob er noch lebt oder nicht. Ich hoffe, dass der Weg nach Imrali in der kommenden Zeit wieder freigemacht wird. Wir wollen das nicht für uns, es reicht aus, wenn die Anwälte und unabhängige Delegationen nach Imrali kommen. Die Bevölkerung macht sich Sorgen um ihn“, so Mehmet Öcalan.

„Kurdische Frage innerhalb von sechs Monaten lösbar“

Bei seinem letzten Besuch habe Abdullah Öcalan über die generelle politische Lage gesprochen, erinnert sich Mehmet Öcalan: „In dieser Zeit fand ein Hungerstreik statt. Er redete zuerst darüber, dann sprach er über die kurdische Frage. Er sagte zu mir: ‚Der Staat muss mir nur die Möglichkeit einräumen, meine Freunde und ich haben hier alles vorbereitet. Wir können das Problem innerhalb von sechs Monaten lösen. Ganz zum Schluss wird es trotzdem wieder Frieden geben. Im Durchschnitt verlieren zehn Menschen täglich ihr Leben in Kampfhandlungen. Dieses Problem lässt sich nicht durch das Töten lösen. Hätte es durch den Tod gelöst werden können, wäre das in den vergangenen vierzig Jahren längst geschehen. Von unserer Seite aus gibt es kein Problem. Das Problem liegt beim Staat.‘“

„Frieden ist gar nicht so schwer“

Bei diesem letzten Besuch sei sein Bruder bei guter Gesundheit gewesen, erklärte Mehmet Öcalan weiter. Er sei jedoch etwas angespannt gewesen und habe gesagt: „Du hättest nicht kommen müssen. Wenn sich nichts ändert, kannst du kommen oder es lassen.“

Mehmet Öcalan rief ein weiteres Mal die Öffentlichkeit und das Antifolterkomitee des Europarats (CPT) dazu auf, die Isolation auf Imrali zu durchbrechen. „Gäbe es diese Isolation nicht, hätte das Blutvergießen gestoppt werden können. Sowohl die Türkei als auch der gesamte Mittlere Osten hätten davon profitiert. Der Krieg ist eine der Hauptursachen der aktuellen Wirtschaftskrise. Wenn die Gespräche fortgesetzt worden wären, hätten die Kämpfe ein Ende gefunden. Beide Seiten hätten keine weiteren Todesfälle zu beklagen. Der Staat fürchtet den Frieden, dabei ist es doch gar nicht so schwierig. Wenn der Vorsitzende seine Rolle hätte spielen können, wäre die Situation jetzt ganz anders.“